VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.07.2008 – 3 S 2772/06 – veröffentlicht in ZfBR 2008, 810

Entscheidung
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bebauungsplan, der unter anderem auch öffentliche Verkehrsflächen festsetzt. Hierdurch soll ein Bereich hinter dem Anwesen des Antragstellers erschlossen werden, für das eine neue Wohnbebauung vorgesehen ist. Die Festsetzung der Verkehrsflächen bedeutet für den Antragsteller, dass er auf seinem Grundstück bauliche Anlagen verändern muss. Sowohl nach der ortsüblichen Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses als auch im Rahmen der Offenlage des Bebauungsplanentwurfs hat der Antragsteller verschiedene Einwendungen vorgebracht und unter anderem Abwägungsfehler im Rahmen der Aufstellung des B-Plans geltend gemacht. Der B-Plan wurde gleichwohl beschlossen.

In der Bekanntmachung des B-Plans wurde darauf hingewiesen, dass „Mängel in der Abwägung gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BauGB unbeachtlich sind, wenn sie nicht innerhalb von zwei Jahren seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind“. Noch im Rahmen der Zwei-Jahres-Frist nach Bekanntmachung des
B-Plans stellte der Antragsteller einen Normenkontrollantrag. Die Begründung reichte der Antragsteller jedoch erst nach Ablauf dieser Frist ein, so dass diese auch der Gemeinde erst nach Ablauf der Frist zugestellt wurde. Das Gericht entschied noch auf der Grundlage des Baugesetzbuches 2004 – und damit vor der Änderung durch das EAG Bau im Jahre 2004 -, dass nach § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB 2004 der Antragsteller mit der Geltendmachung von Abwägungsmängeln weder ganz noch teilweise ausgeschlossen war.

Zu Recht!
§ 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB 2004 bestimmte, dass beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs unbeachtlich werden, soweit sie nicht innerhalb einer Frist von zwei Jahren seit Bekanntmachung eines Flächennutzungsplans oder einer Satzung schriftlich geltend gemacht werden. Hierauf hatte die Gemeinde aber nicht hinreichend hingewiesen. Richtigerweise hätte der Bekanntmachungstext lauten müssen „Unbeachtlich werden nach § 214 Abs. 3 Satz 2 beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs, wenn (…)“. Der pauschale Hinweis auf die Rügepflicht von „Mängeln in der Abwägung“ war aus dem Grunde irreführend, als dadurch der unzutreffende Eindruck erweckt wurde, auch Mängel im Abwägungsergebnis müssten innerhalb von zwei Jahren gerügt werden und dass sie nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist unbeachtlich seien. Im Ergebnis führte der unterbliebene korrekte Hinweis auf die Rügevoraussetzungen des § 215 Abs. 1 BauGB dazu, dass die Rügen im vorliegenden Fall uneingeschränkt geltend gemacht werden konnten.

Praxishinweis
Die genaue Unterscheidung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis ist auch unter Geltung des BauGB nach der Änderung, die das Gesetz durch das EAG Bau erfahren hat (Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuches an EU-Richtlinien), von wesentlicher Bedeutung. Denn auf Fehler im Abwägungsergebnis ist § 215 Abs. 1 BauGB ohnehin nicht anwendbar. Rügepflichtig sind nach der jetzigen Fassung des BauGB nur nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB beachtliche Mängel im Abwägungsvorgang, während Mängel im Abwägungsergebnis auch ohne entsprechende Rüge beachtlich bleiben können. § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB erklärt Mängel im Abwägungsvorgang nur dann für erheblich und somit beachtlich im Sinne des § 215 Abs. 1 BauGB, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Diese Mängel müssen also innerhalb der von § 215 Abs. 1 BauGB vorgesehenen Frist, die mittlerweile nur noch ein Jahr beträgt, schriftlich und mit einer Begründung versehen geltend gemacht werden.