BGH, Urteil vom 17.04.2009 – VII ZR 164/07 – veröffentlicht in IBR 2009, 335

Entscheidung
Die Klägerin ist eine Beratungs- und Projekt-management GmbH. Diese hatte mit einem privaten Investor einen „Beratungsvertrag“ ab-geschlossen, wonach die zu erbringenden Teilleistungen Vertragsabgleich, Mängelfeststellungen und -dokumentation, Mängelmanagement, Bewertung von Minderungsbeträgen und Nachabnahmen mit Stundenverrechnungssätzen von 205,00 € (Gutachtertätigkeit des Inhabers), 130,00 € (Mitarbeiterstunden) und 50,00 € (Sekretariatarbeiten) vergütet werden.

Die Klägerin berechnete für ihre in den Folgemonaten erbrachten Leistungen insgesamt rund 1.057.000,00 €.

Die Beklagte wendet sich hiergegen mit dem Argument, dies widerspräche dem System der HOAI. Die Leistungen müssten, soweit es sich um Grundleistungen handele, die dem Regelungsbereich der HOAI unterliegen, auch nach dem System der HOAI zu den entsprechenden dort vorgesehenen Vergütungssätzen abgerechnet werden. Nach Stundensätzen dürften nur solche Leistungen abgerechnet werden, für die die HOAI eine solche Abrechnungsweise ausnahmsweise zulasse.

Dies sieht der BGH – entgegen der in der Literatur ganz überwiegend vertretenen Auffassung – nun anders.

Der Honoraranspruch der Klägerin folgt aus § 631 Abs. 1 BGB, wonach die Vertragsparteien die Vergütung für Werkleistungen grundsätzlich frei vereinbaren können. Dies schließt auch eine nach Zeitaufwand zu bemessende Vergütung ein. Auch wenn wesentliche Teile der von der Klägerin erbrachten Leistungen dem Regelungsbereich der HOAI unterliegen, ergibt sich nach den Ausführungen des BGH nichts anderes. Auch dann sind die Parteien grundsätzlich nicht gehindert, ein Zeithonorar zu vereinbaren, solange die Maßgaben des § 4 Abs. 1 HOAI eingehalten sind. Die Vereinbarung eines Zeithonorars für Architekten- und Ingenieurleistungen ist somit gemäß § 4 Abs. 1 HOAI stets dann wirksam, wenn sie schriftlich bei Auftragserteilung erfolgt und innerhalb des Preisrahmens der Mindest- und Höchstsätze liegt. Wirksamkeitsvoraussetzung ist hingegen nicht, so der BGH ausdrücklich, ob die HOAI für die Leistungen eine Abrechnung nach Zeithonorar anordnet oder zulässt.

Auch im Hinblick auf die Höhe des Zeithonorars und der Stundesätze trifft der BGH wesentliche Klarstellungen:

So unterliegt eine nach § 4 Abs. 1 HOAI wirksam getroffene Zeithonorarvereinbarung nicht den Beschränkungen des § 6 HOAI. Diese Vorschrift regelt die Berechnung des Honorars nur in den Fällen, in denen die preisrechtlichen Bestimmungen der HOAI eine von den Vorgaben der §§ 10 ff. HOAI abweichende Abrechnung nach Zeitaufwand anordnen oder ausdrücklich zulassen. Die gemäß § 4 Abs. 1 HOAI bei der Stundenlohnvergütung einzuhaltenden Mindest- und Höchstsätze ergeben sich daher aus §§ 10 ff. HOAI oder (vergleichbaren Regelungen bei den Ingenieurleistungen), nicht hingegen aus § 6 Abs. 2 HOAI. Wäre der Architekt/Ingenieur bei allen Stundenlohnvereinbarungen an die Stundensätze des § 6 HOAI gebunden, so läge darin nach Auffassung des BGH eine allgemeine Beschränkung für den Architekten/Ingenieur, welcher von der Ermächtigungsgrundlage zur HOAI nicht gedeckt ist.

Praxishinweis
Die Entscheidung ist zu begrüßen, da sie zum einen eine Klärung im Hinblick auf die hierzu uneinheitliche Literatur herbeiführt. Zum anderen wird auch die Vertragsfreiheit bei Honorarvereinbarungen weiter verstärkt.

Gleichwohl ist Vorsicht bei der Vereinbarung von Stundenhonoraren insofern geboten, als für den Architekten/Ingenieur ein erhöhter Dokumentations- und Nachweisaufwand besteht. Auch hierzu hat der BGH in der angeführten Entscheidung wesentliche Grundsätze aufgestellt.

So genügt zur schlüssigen Begründung einer nach Zeitaufwand zu bemessenden Vergütung grundsätzlich zwar die Darlegung, wie viele Stunden für die Erbringung der Vertragsleistungen angefallen sind. Doch muss dabei vom Architekten/Ingenieur zu Art und Inhalt der nach Zeitaufwand abgerechneten Leistungen jedenfalls so viel vorgetragen werden, dass für den Auftraggeber prüfbar ist, ob die Leistungsausführung wirtschaftlich erfolgte und er ggf. hierzu sachgerecht seine Rechte wahren kann. Welcher Aufwand hierfür im Einzelnen zu betreiben ist, ist nach den Ausführungen des BGH einer generalisierenden Betrachtung nicht zugänglich, vielmehr ist Maßstab hierfür stets individuell das Informations- und Kontrollbedürfnis des Auftraggebers.

Wird ein nach Stundenaufwand zu bemessendes Honorar vereinbart, so ist daher dringend anzuraten, von Anfang an ein detailliertes Dokumentationssystem einzuführen und dies im Hinblick auf die Überprüfbarkeit durch den Auftraggeber im günstigsten Falle hinsichtlich Art und Umfang des Nachweises mit diesem zu vereinbaren.

Denn – auch dies betont der BGH in seiner Entscheidung – die Vereinbarung einer Stundenlohnvergütung begründet nach Treu und Glauben eine vertragliche Nebenpflicht des Architekten/Ingenieurs zur wirtschaftlichen Betriebsführung, deren Verletzung unmittelbare Schadensersatzansprüche des Auftraggebers gemäß § 280 Abs. 1 BGB auslöst. Jede abgerechnete Stunde sollte daher auch bezüglich ihrer Erforderlichkeit gut dokumentiert sein.