BGH, Urteil vom 10.09.2009 – VII ZR 152/08 – veröffentlicht in IBR 2009, 627, 628

Entscheidung
Im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung gibt der spätere Auftragnehmer (AN) am 25.08.2005 ein Angebot für eine Straßenbaumaßnahme ab. In den der Ausschreibung zu-grundeliegenden BVB ist zum Ausführungszeitraum geregelt, dass die Ausführung zwölf Werktage nach Zuschlagserteilung beginnen und die Leistungen 445 Werktage nach Zuschlagserteilung erbracht sein sollen. Die Binde- und Zuschlagsfrist ist auf den 30.11.2005 festgelegt.

Wegen einer Verzögerung in der Bereitstellung der Haushaltsmittel bittet der AG um eine Verlängerung der Bindefrist bis zum 31.03.2006; der AN erklärt sich damit einverstanden. Nach Durchführung eines von einem anderen Bieter angestrengten Nachprüfungsverfahrens erteilt der AG am 13.02.2006 den Zuschlag auf das Angebot des AN. Sofort mit der Bestätigung des Zuschlag macht der AN Mehrkosten i.H.v. gut 1,3 Mio. € geltend. Er begründet diese zum Teil mit der Verschiebung der Zuschlagsfrist, zum Teil mit der Verschiebung des Ausführungszeitraums.

Der BGH gibt dem AN Recht, soweit er sich auf die Verschiebung des Ausführungszeitraums beruft. Hinsichtlich der Verschiebung des Zuschlagstermins ist ein Mehrvergütungsanspruch nicht gegeben; insoweit können wir auf die Entscheidung des BGH vom selben Tag (VII ZR 82/08, ebenfalls besprochen in dieser Mandanteninfo) verweisen.

Eine Verschiebung der Ausführungsfrist stellt – so die Grundsatzentscheidung des BGH vom 11.09.2009 (VII ZR 11/08, siehe unsere Mandanteninfo 02/2009) – eine Änderung nach Vertragsschluss dar, die im Ergebnis zu einem Vergütungsanspruch in Anlehnung an § 2 Nr. 5 VOB/B führt.

Fraglich ist aber, ob im konkreten Fall denn überhaupt die Ausführungsfrist geändert wurde, denn es blieb doch dabei, dass mit der Ausführung zwölf Werktage nach Zuschlag begonnen werden sollte. Der BGH betont aber, dass im Rahmen des formalisierten, öffentlich-recht-lichen Vergabeverfahrens die Erklärungen des Ausschreibenden grundsätzlich so zu verstehen sind, dass sie im Einklang mit den vergabrechtlichen Bestimmungen stehen. Würde man die Angaben zu den Ausführungsfristen so verstehen, dass diese unabhängig vom konkreten Zeitpunkt des Zuschlags sind, wäre die Leistung für den Bieter nicht kalkulierbar; es würde ihm ein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet, auf das er keinen Einfluss hat. Eine solche Ausschreibung würde gegen die Grundsätze von § 9 Abs. 2 VOB/A verstoßen. Bei vergaberechtskonformer Auslegung muss daher die Regelung so verstanden werden, dass der Bieter nur den spätest möglichen Zuschlag, mit dem er bei Angebotsabgabe rechnen musste, einkalkulieren musste, also mit dem Zuschlag zum Ablauf der ursprünglichen Zuschlagsfrist. Der spätere Zuschlag und damit die Verschiebung des Ausführungszeitraums stellen also eine Änderung der Vertragsgrundlagen dar, die grundsätzlich zu einer Vergütungsanpassung im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B berechtigt.

Praxishinweis
Der „Trick“, die Ausführungsfristen nicht kalendermäßig zu benennen, sondern an den Zuschlag anzuknüpfen, hilft dem öffentlichen Auftraggeber also nicht, sofern sich der Zuschlag verschiebt. Sicher vermeiden lassen sich Mehrvergütungansprüche im Zusammenhang mit Verzögerungen des Vergabeverfahrens nur durch einen ausreichend langen Zeitraum zwischen (geplantem) Zuschlag und Baubeginn, so dass sich eventuelle Nachprüfungsverfahren ohne Verschiebung der Bauzeit abwickeln lassen.