BGH, Urteil vom 10.09.2009 – VII ZR 82/08 – Vorhergehend: KG, Urteil vom 07.03.2008, – 21 U 150/05 – veröffentlicht in IBR 2009, 625, 626

Entscheidung
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) schreibt im Juli 2000 eine größere Baumaßnahme aus, wobei als Bauzeit der Zeitraum vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2002 festgelegt ist. Als Bindefrist und Zuschlagstermin wird der 31.10.2000 angegeben. Der spätere Auftragnehmer (AN) gibt unter dem 26.09.2000 das günstigste Angebot ab. Dabei hat er in seiner Kalkulation berücksichtigt, dass er von einem Energielieferanten ein besonders günstiges Angebot für den Strombezug erhalten hat, an welches sich auch dieser bis zum 31.10.2000 bindet.

Aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens, das ein anderer Bieter einleitet, verschiebt sich der Zuschlagstermin. Der AG bittet mehrfach, jeweils vor Ablauf der Bindefrist, um eine Verlängerung der Bindefrist, zuletzt bis zum 31.12.2000. Der AN erklärt sich damit jeweils einverstanden, erklärt dabei aber, er behalte sich aber Schadensersatzansprüche für den Fall vor, dass sich durch den verspäteten Zuschlag die niedrigen Energiepreise nicht mehr realisieren lassen und ihm dadurch Nachteile entstehen.

Der AN erhält am 21.12.2000 den Zuschlag auf sein Angebot vom 26.09.2000 und führt die Baumaßnahme durch. Er macht dann einen Mehrvergütungsanspruch von gut 1,8 Mio. € geltend, weil sich der Energielieferant nur bis zum 30.11.2000 an das günstigste Angebot gebunden hatte und er nun einen anderen, teureren Lieferanten nehmen musste.

Die Klage des AN wird in allen Instanzen abgewiesen. Der BGH begründet dies im Wesentlichen unter den folgenden drei Aspekten:

Der Zuschlag erfolgte auf exakt das Angebot, das der AN ursprünglich abgegeben hatte. Daran ändert auch der erklärte Vorbehalt nichts, denn dieser hat das Angebot nicht abgeändert oder einen Preisvorbehalt hinzugefügt (was im öffentlich-rechtlichen Vergabeverfahren auch unzulässig wäre). Der AN hat nur erklärt, er behalte sich vor, seine aus dem Vertrag eventuell erwachsenden Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Anders als in dem grundlegenden Urteil des BGH vom 11.05.2009 (VII ZR 11/08 – siehe unsere Mandanteninfo 02/2009) ist es auch nicht zu einer Regelungslücke im Vertrag gekommen, da die Ausführungsfrist nicht tangiert wurde. Der Vertrag konnte also genauso durchgeführt werden, wie er ausgeschrieben und angeboten wurde. Das einzige, was sich verändert hatte, war der Zuschlagstermin; dieser ist aber nicht Bestandteil des Angebotes und damit auch nicht des Vertrages. Für eine Anpassung der Vergütung nach § 2 Nr. 5 VOB/B war also kein Raum.

Schließlich lag auch kein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor, der zu einer Anpassung des Vertrags berechtigt hätte. Mit der Verlängerung der Bindefrist hatte sich der AN bereit erklärt, einen Vertrag auf Basis seines ursprünglichen Angebotes abzugeben. Das Risiko, dass sich seine Kalkulationsgrundlagen (vor allem der günstige Strompreis) aufgrund dieser Verschiebung ändern würden, hat damit der AN übernommen.

Praxishinweis
Der BGH weist auch darauf hin, dass ohnehin zweifelhaft ist, ob die Kalkulation des AN, auch, wenn sie im Rahmen der Vertragsverhandlungen offen gelegt worden ist, zur Geschäftsgrundlage wird. Geschäftsgrundlage sind nämlich die Umstände, die beiden Parteien zur Grundlage des Vertragsabschlusses machen. Da für die Auskömmlichkeit seiner Kalkulation aber nur der AN verantwortlich ist, wird diese regelmäßig nicht zur Grundlage des Geschäftswillens des AG.