OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.07.2009 – 1 LA 103/07 – veröffentlicht in NVwZ-RR 2009, 910

Entscheidung
Die Klägerin verlangt von der beklagten Bauaufsicht ein Einschreiten gegen den Betrieb einer Kfz-Werkstatt auf dem Nachbargrundstück. Sie macht geltend, dass nach Auszug des letzten Kfz-Werkstattbetreibers die streitgegenständliche Halle 1½ Jahre leer gestanden hätte und die daraufhin erfolgte Wiederaufnahme der Nutzung als Kfz-Werkstatt nicht mehr von der ursprünglichen Baugenehmigung umfasst sei. Die letzte Baugenehmigung datiert aus dem Jahr 1978 und genehmigte in der bereits 1948 baurechtlich zulässig errichteten Halle eine Nutzungsänderung einer „Schmiede in Verbindung mit einer Wagenbauwerkstatt“ zu einer „Autoreparaturwerkstatt mit Abstellplatz für Neufahrzeuge“ ohne Veränderung der baulichen Anlage. Nachdem in der Halle über mehrere Jahre eine Kfz-Reparaturwerkstatt ansässig war, dieser aber nach dem Umzug in andere Räume im Sommer offiziell abgemeldete wurde, wurden Ende 2003 Vorbereitungen getroffen, um die Nutzung der Halle als Kfz-Werkstatt zu reaktivieren. Zwischendurch war für die Halle ein Mietvertrag zur Vermietung an einen anderen Werkstattbetreiber abgeschlossen, dieser ist aber dann nicht umgesetzt worden. Im Ergebnis blieb die Halle für 1½ Jahre ungenutzt. Den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten wies die beklagte Baubehörde mit der Begründung ab, die in Rede stehenden Tätigkeiten seien von den erteilten Genehmigungen aus den Jahren 1948 und 1978 umfasst. Die hiergegen gerichtete Verpflichtungsklage wiesen die Verwaltungsgerichte ab. Dabei stützte das OVG seine Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass es für die Frage, wie lange eine genehmigte Nutzung unterbrochen werden dürfe, ohne das aus der Baugenehmigung resultierende Nutzungsrecht zu verlieren, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung allein auf die landesrechtlichen Bauordnungsregelungen ankomme. Die hier einschlägige Niedersächsische Bauordnung (NBauO) enthalte zwar keine ausdrückliche Regelung dieser Frage. Das aus § 77 Satz 1 NBauO folgende Erlöschen einer erstmalig erteilten Baugenehmigung innerhalb von drei Jahren nach deren Nichtausnutzung könne aber auf die Nutzungsunterbrechung übertragen werden. Daher sei die Drei-Jahres-Frist auch vorliegend anzuwenden und sei es im Hinblick auf die lediglich halb so lange Unterbrechung der Nutzung zutreffend, dass die neu aufgenommene Nutzung von der ursprünglichen Baugenehmigung gedeckt sei.

Zu Recht!
In seiner Entscheidung hat sich das OVG Lüneburg ausführlich mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Wirkung einer Baugenehmigung trotz zwischenzeitlicher Vakanz und zum Bestandsschutz auseinandergesetzt. Es ist insoweit zu unterscheiden zwischen der Bestandskraft einer erteilten Baugenehmigung und dem Bestandsschutz. Die Frage, wie lange eine Baugenehmigung noch eine den Betreffenden günstige Legalisierungswirkung entfaltet, richtet sich ausschließlich nach dem insoweit maßgeblichen Landesrecht. Der Landesgesetzgeber bestimmt durch sein Landesbauordnungsrecht darüber, wie lange eine Baugenehmigung trotz Nutzungsunterbrechung bzw. Nutzungsaufgabe noch gültig sein bzw. bleiben solle. Davon zu trennen ist die Frage, ob und inwieweit eine Nutzung, die einst genehmigt oder in Einklang mit dem seinerzeit geltenden Baurecht betrieben worden war, sich gegen Veränderungen des öffentlichen Baurechts behaupten kann („eigentlicher Bestandsschutz“).

Praxishinweis
Die Entscheidung stärkt den Schutz der Rechtsposition des Eigentümers einer genehmigten baulichen Anlage gegen das Einschreiten bei Wiederaufnahme der Nutzung nach längerer Unterbrechung. Dies ist insbesondere für solche Eigentümer von Relevanz, deren bauliche Anlage für eine bestimmte Nutzung genehmigt worden ist und diese Nutzung von (wechselnden) Mietern oder Pächtern ausgeübt wird. Es würde den Eigentümer erheblich belasten, müsste er nach jeder Nutzungsunterbrechung erneut eine Baugenehmigung beantragen.

Mit der Anknüpfung an die in den Landesbauordnungen enthaltene Regelung zur Geltungsdauer der Baugenehmigung bei erstmaliger Erteilung hat das OVG auch in zeitlicher Hinsicht eine praxisgerechte Lösung gefunden, die zudem Rechtssicherheit schafft.