EuGH, Urteil vom 25.03.2010 – Rs. C-451/08 – veröffentlicht in IBR 2010, 284

Entscheidung
Das OLG Düsseldorf hatte seit dem Jahr 2007 mit seiner sogennanten „Ahlhorn“-Recht-sprechung für Aufregung gesorgt, da es auch Grundstücksverkäufe als europaweit ausschreibungspflichtig einstufte, sofern die Kommune auf die gestalterische Konzeption des Käufers Einfluss nahm. Hierfür sollte allein die Vorgabe städtebaulicher Ziele z. B. durch parallel abgeschlossene städtebauliche Verträge ausreichen. Mit der 2009 erfolgten Neuregelung des § 99 GWB wurde der öffentliche Bauauftrag daraufhin so neu definiert, dass die Bauleistung dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugute kommen muss. Das OLG Düsseldorf wollte seine Rechtsprechung jedoch aufrechterhalten und hatte dem EuGH Fragen zur Auslegung des Begriffs des öffentlichen Bauauftrags und damit auch zur Europarechtskonformität des neuen § 99 GWB vorgelegt.

Der EuGH hat nunmehr den deutschen Gesetzgeber bestätigt und lehnt die Anwendung des Vergaberechts in den betroffenen Konstellationen ab. Gegenstand eines öffentlichen Bauauftrages müsse die Erbringung von Bauleistungen in einem gegenständlichen oder körperlich zu verstehenden Sinn sein. Die Verpflichtungen des Käufers müssten verbindlich und einklagbar sein und der Auftraggeber eine Gegenleistung bekommen. Diese müsse zwar nicht immer in dem Eigentumsübergang des Bauwerks auf den öffentlichen Auftraggeber bestehen. Voraussetzung sei aber ein wirtschaftliches Interesse des Auftraggebers, das auch in der Sicherung von zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten oder Veräußerungserlösen, einer finanziellen Beteiligung oder einer Risikoübernahme bestehen könne. Die bloße Ausübung städtebaulicher Regelungszuständigkeiten genüge jedenfalls nicht, um diese Voraussetzung zu erfüllen. Auch lehnt der EuGH ausdrücklich die vom OLG Düsseldorf vorgenommene Einstufung der kommunalen Immobiliengeschäfte als vergaberechtspflichtige Baukonzession ab.

Der EuGH stellt darüber hinaus klar und eindeutig fest, dass das europäische Vergaberecht keine Anwendung findet, wenn eine öffentliche Stelle ein Grundstück an ein Unternehmen veräußert, während eine andere öffentliche Stelle beabsichtigt, einen öffentlichen Bauauftrag in Bezug auf dieses Grundstück zu vergeben, auch wenn sie noch nicht formell beschlossen hat, den entsprechenden Auftrag zu erteilen.

Praxishinweis
Mit dieser Entscheidung des EuGH ist die zwischenzeitlich aufgetretene erhebliche Verunsicherung der Kommunen beseitigt. Das Vergaberecht wird mit dem EuGH-Urteil auf seinen ursprünglichen Kern zurückgeführt. Die öffentliche Hand kann Immobilientransaktionen wieder rechtssicher ohne öffentliche Ausschreibungen durchführen und in Grundstücksverträge Regelungen zur Nutzung oder Gestaltung aufnehmen. Auch eine Absicherung von Bauverpflichtungen durch Rücktrittsrechte erscheint nunmehr wieder möglich.

Allerdings macht die Entscheidung des EuGH auch deutlich, dass die Ausschreibungsfreiheit nicht grenzenlos ist: Sobald sich die Kommune Nutzungsrechte sichert oder sich finanziell oder durch Risikoübernahme am Projekt beteiligt, wird das wirtschaftliche Interesse vermutet werden. Vertragliche Vorgaben für das zu errichtende Bauwerk, die nicht allein durch städtebauliche Regelungskompetenzen begründet sind, können auch weiterhin zur Ausschreibungspflicht führen.
Die Ausschreibungspflicht wird daher jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen sein.