OLG Frankfurt, Urteil vom 29.09.2010 – 15 U 63/08 – veröffentlicht in IBR-online, Werkstattbeitrag vom 07.01.2011

Entscheidung
Der beklagte Architekt war für eine Arbeitskollegin bei deren Wohnhausneubau tätig, wobei er neben den Planungsleistungen auch an der Vergabe beteiligt war und die Bauausführung auch überwachte. Die Architektenleistungen übernahm er, um der Kollegin behilflich zu sein. Die Leistungen wurden vom Architekten nicht abgerechnet.

Nach Fertigstellung und Bezug wurden Mängel festgestellt. Diese betrafen neben anderen Mängeln insbesondere das Fehlen einer Drainage und eine unzureichende Wärmedämmung im Fußbodenaufbau, die, wie in einem selbstständigen Beweisverfahren geklärt wurde, auf mangelhafte Leistungen des Architekten zurückzuführen waren. Die Arbeitskollegin nimmt den Architekten auf Schadensersatz in Anspruch.

Das Landgericht hatte „Mitleid“ mit dem Beklagten und hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Es sah die Tätigkeit des Architekten nicht als Gefälligkeit an, sondern ging davon aus, der Architekt sei mit Rechtsbindungswillen tätig geworden. Es ging von einem Schenkungsvertrag aus und ließ dem Architekten eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz zugute kommen. Deshalb habe er nur für „gravierende Baufehler“ zu haften.

Anders als das Landgericht geht das OLG jedoch davon aus, dass zwischen den Parteien ein Architektenvertrag zustandegekommen ist. So sei entscheidend, wie sich das Verhalten der Parteien bei Würdigung aller Umstände einem objektiven Beurteiler darstellt. Zu würdigen seien in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BGH die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit (insbesondere für den Begünstigten), ferner Art, Grund und Zweck der Gefälligkeit. Wenn sich der Begünstigte – wie hier die Kollegin – erkennbar auf die ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen verlässt und für sie erhebliche Werte auf dem Spiel stehen und zudem Tätigkeiten übernommen werden, die üblicherweise nicht nur völlig unverbindlich und gefälligkeitshalber übernommen werden, ist – trotz der Vereinbarung der Unentgeltlichkeit – von einer vertraglichen Übernahme der Leistungen auszugehen. Hieraus folgen bei einer Schlechterfüllung Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche.

Auch führt die Vereinbarung der Unentgeltlichkeit nicht automatisch zu einem Ausschluss der Haftung für einfache Fahrlässigkeit. Ein solcher – konkludenter – Haftungsausschluss kommt zwar grundsätzlich in Betracht, dies jedoch nur dann, wenn der Begünstigte die Forderung nach einem Haftungsausschluss billigerweise nicht ablehnen darf (vgl. BGH, NJW 2003, 578; 1989, 3276). Vorliegend ist jedoch – so das OLG – aufgrund der Bedeutung der Leistungen für die Arbeitskollegin nicht davon auszugehen, dass sich diese auf eine Forderung nach einem Haftungsausschluss hätte einlassen müssen, auch nicht mit Rücksicht auf das Haftungsrisiko des Architekten.

Praxishinweis
Nicht selten erbringen Architekten Leistungen „aus Gefälligkeit“ für Freunde, Verwandte und sonstige Nahestehende. Oftmals ist den Parteien hierbei nicht klar, dass zwischen ihnen ein verbindliches Vertragsverhältnis besteht. Hilfsbereitschaft kann damit sehr schnell zum „Eigentor“ werden. Obwohl klar ist, dass die Leistungen unentgeltlich erfolgen, begibt sich der Architekt in die volle Haftung. Im vorliegenden Fall galt dies sogar, obwohl der Architekt nicht (mehr) in die Architektenliste eingetragen war und daher auch über keine Berufshaftpflichtversicherung verfügte.

Jeder Architekt und jeder Ingenieur, der Leistungen für Freunde und Verwandte unentgeltlich als Freundschaftsdienst erbringt, sollte daher vorher das Problem der Mängelhaftung deutlich ansprechen und – quasi im Gegenzug zur Unentgeltlichkeit – einen Haftungsausschluss oder zumindest eine Haftungsbeschränkung vereinbaren. Dies zu Beweiszwecken schriftlich!