Eine in AGB des Auftraggebers enthaltene Vertragsklausel, bei der Gewährleistungsansprüche und Überzahlungsansprüche bis zur vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung des Auftraggebers in Höhe von 10 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme gesichert sein können, ist aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam

BGH, Urteil vom 05.05.2011 – VII ZR 179/10 – veröffentlicht in IBR 2011, 409

Entscheidung
Die Besonderen Vertragsbedingungen eines Auftraggebers enthalten folgende Regelung:

„Als Sicherheit für die Vertragserfüllung hat der Auftragnehmer eine Bürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme zu stellen. Als Sicherheit für die Erfüllung der Gewährleistungsansprüche einschließlich Schadensersatz und für die Erstattung von Überzahlungen werden 5 % der Auftragssumme einschließlich der Nachträge einbehalten. Die Vertragserfüllungsbürgschaft wird nach vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung zurückgegeben, wenn der Auftragnehmer seine Vertragspflichten erfüllt und die vereinbarte Gewährleistungssicherheit geleistet hat.“

Der BGH hat entschieden, dass dieses Klauselwerk des Auftraggebers unwirksam ist. In seiner Begründung hat der BGH im Kern darauf abgestellt, dass für einen unbestimmten Zeitraum Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers so-wohl über die Vertragserfüllungsbürgschaft, als auch über den Gewährleistungseinbehalt gesichert werden, der Auftraggeber also im Ergebnis für eine unbestimmte Zeit eine 10 %-ige Gewährleistungssicherheit erhält. Eine Sicherheit von insgesamt 10 % übersteige jedoch das angemessene Maß. Der BGH verweist u. a. auf § 14 Nr. 2 VOB/A a. F. (nun § 9 Abs. 8 Satz 3 VOB/A), wonach die Sicherheit für Mängelansprüche 3 % der Abrechnungssumme nicht überschreiten soll. Dem Auftraggeber wurde zwar ein berechtigtes Interesse zugesprochen, auch nach der Abnahme neben Gewährleistungsansprüchen zugleich Überzahlungsansprüche abzusichern. Insofern hatte der BGH bereits in BGH, BauR 2004, 1143 eine Vereinbarung als noch wirksam angesehen, die eine Sicherheit durch eine kombinierte Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft von 6 % vorgesehen hat, mit der gleichzeitig Überzahlungs- und Gewährleistungsansprüche abgesichert worden waren. Die in der Entscheidung zugrundeliegende Höhe der Sicherung von 10 %, sei jedoch nicht schützenswert, weil der Auftraggeber die Vermeidung von Überzahlungen selbst in der Hand habe. Der Auftraggeber könne durch eine entsprechende Prüfung des Leistungsstandes sicherstellen, nur auf erwiesenermaßen erbrachte Leistungen zu zahlen.

Praxishinweis
Das Urteil enthält keine Aussage darüber, bis zu welchem Prozentsatz der Abrechnungssumme eine Sicherheit für Gewährleistungsansprüche in AGB noch wirksam vereinbart werden kann. Grundsätzlich  wird im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung von einer Obergrenze von 5 % auszugehen sein. Bemerkenswert ist die Entscheidung aber deshalb, weil der BGH das Klauselwerk in der für den Vertragspartner des Verwenders ungünstigsten Auslegung auf den Prüfstand stellte. Der BGH wies in den Entscheidungsgründen darauf hin, dass eine für sich genommen unwirksame Klausel bei der Bewertung anderer Klauseln trotz Unwirksamkeit herangezogen werden kann. Denn der Verwender von zwei Sicherungsklauseln, von denen die erste nur dann Bestand haben könnte, wenn die zweite nicht existent wäre, kann sich zur Begründung der Wirksamkeit der einen Klausel nicht auf die Unwirksamkeit der anderen Klausel berufen (insofern bereits BGH, BauR 2011, 677). Dem AN unwirksame Klauseln vorzulegen in der Hoffnung, dieser werde die Unwirksamkeit nicht erkennen und wenn doch, dann trete keine Verschlechterung zur ohnehin gegebenen Rechtslage ein, ist daher gefährlich.