BGH, Urteil vom 19.11.2008 – IV ZR 277/05 – veröffentlicht in IBR 2009, 116

Entscheidung
Die Klägerin im hiesigen Verfahren war im Rahmen der Errichtung des zweiten Dienstsitzes für das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) als Generalplaner tätig und hatte teilweise fehlerhaft geplant. Es kam deshalb zu einem Prozess mit dem Bauherrn. Durch rechtskräftiges Schlussurteil des Landgerichts Berlin wurde die Klägerin im Haftpflichtprozess verurteilt, an den Bauherrn wegen mangelhafter Leistungen Schadensersatz in Höhe von rund 1,0 Mio. € zu zahlen. Im hiesigen Gerichtsverfahren hat die Klägerin die Beklagte, bei der sie haftpflichtversichert ist, auf Gewährung von Deckungsschutz verklagt. In der Klage macht die Klägerin unter anderem Schadensersatz wegen Kosten für von ihr selbst nachträglich vorgenommener Umplanungen und Ausschreibungen geltend, die durch ihre ursprünglich fehlerhafte Planung von Lichtdecken angefallen sind.

Die Haftpflichtversicherung meint demgegenüber, bei diesen Kosten handele es sich um einen so genanten „Erfüllungsschaden“, der gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 Abs. 3 AHB (Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung) a. F. bzw. Ziffer 1.2 AHB n. F. vom Haftpflichtversicherungsschutz ausgeschlossen sei. Nach dieser Versicherungsbestimmung erstreckt sich der Versicherungsschutz nicht auf Leistungen zur Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllungsleistung tretenden Ersatzleistungen. Das Landgericht Berlin und das Kammergericht teilen die Auffassung des Haftpflichtversicherers nicht.

Das Kammergericht hatte zur Begründung ausgeführt, ein Erfüllungsschaden läge nicht vor, da die Klägerin gemäß der Rechtsprechung des 7. Zivilsenats des BGH vorliegend kein Nachbesserungsrecht mehr habe.
Der (Planungs-)Fehler habe sich bereits im Bauwerk realisiert, so dass es sich bei den Kosten für die Umplanungen und Ausschreibungen nicht um Leistungen handele, die an die Stelle der Erfüllungsleistung träten. Dass die Klägerin diese Nachbesserungsleistungen selbst erbracht habe, sei unerheblich. Der BGH hebt die Entscheidung des Kammergerichts auf. Das Kammergericht, so der BGH in seiner Urteilsbegründung, habe verkannt, dass es sich bei dem Terminus „an die Stelle der Erfüllungsleistungen tretenden Ersatzleistung“ in § 4 Abs. 1 Nr. 6 Abs. 3 AHB um einen eigenständigen versicherungsrechtlichen Begriff handele, der losgelöst vom Werkvertragsrecht zu behandeln und zu beurteilen sei. Soweit die Umplanungen und Ausschreibungen der Herstellung des vertraglich geschuldeten mangelfreien Zustandes dienen, handelt es sich bei ihnen um Leistungen, die an die Stelle der Erfüllungsleistung getreten sind.

Praxishinweis
Das Urteil zeigt deutlich die Konsequenzen des im Haftpflichtversicherungsrecht geltenden Trennungsprinzips auf. Dass der Haftpflichtanspruch des Bauherrn bzw. Auftraggebers nach Werkvertragsrecht zu beurteilen ist und infolge der Verkörperung des Planungsfehlers im Bauwerk der Planer keine originäre Nachbesserungsmöglichkeit mehr hat, ist für das Versicherungsverhältnis unerheblich.

Die Feststellungen im Haftpflichtverhältnis (hier zwischen Bauherr und Generalplaner) haben für den Deckungsprozess zwischen Planer und seinem Versicherer also nur in ganz begrenztem Umfang Bindungswirkung. Da es bei den gegenständlichen Umplanungen und Ausschreibungen allein darum ging, das Ziel der ursprünglichen Planungsleistungen (nämlich ein mangelfreies und funktionsfähiges Gebäude) zu erreichen, sind diese Leistungen auf die Erfüllung des ursprünglichen Vertrages gerichtet und damit von der Ausschlussklausel des § 4 Abs. 1 Nr. 6
Abs. 3 AHB a.F. umfasst.

Die weiteren Kosten, die für die nachträgliche Erstellung einer mangelfreien Planung inklusive dazugehöriger Ausschreibungen erforderlich werden, stellen deshalb einen Erfüllungsschaden dar, ganz gleich ob es sich nach Werkvertragsrecht bei diesen Leistungen um eine Ersatzvornahme handelt oder nicht. 

Vom Versicherungsschutz umfasst sein können in dieser Konstellation nur über die reine Nachbesserungsleistung hinausgehende Kosten, die allein dazu dienen, den am Bauwerk verkörperten Mangel am Bauwerk erst einmal zu entfernen.