OLG Bremen, Urteil vom 02.03.2009 – 3 U 38/08 – veröffentlicht in IBR-online, Werkstatt-Beitrag vom 01.07.2009

Entscheidung
Der Auftragnehmer führt verschiedene Arbeiten am Dach des zweiten Bauabschnitts zu dem streitgegenständlichen Objekt aus. Zu den Leistungen gehört vor allem auch die Dacheindeckung mit Zinkblech. Dabei enthält das Leistungsverzeichnis bei verschiedenen untergeordneten Positionen die ausdrückliche Angabe, dass das verwendete Zinkmaterial vorbewittert sein soll.

Bei der Hauptposition für die eigentliche Dacheindeckung fehlt jedoch die Angabe „vorbewittert“. Weisungsgemäß führt der Auftragnehmer die gesamte Eindeckung mit vorbewittertem Material aus, verlangt dafür aber zusätzliche Vergütung, weil er der Auffassung ist, dass es sich um eine gegenüber dem Vertrag und der darin vereinbarten Pauschalen um eine Änderung handelt.

Der Bauherr ist der Auffassung, dass aus dem Leistungsverzeichnis hervorging, dass für die gesamte Eindeckung vorbewittertes Zinkblech zu verwenden war und der Auftragnehmer dieses innerhalb der Pauschalen zu erbringen hatte. Die Planung und das Leistungsverzeichnis sind vom Architekten des Bauherrn erstellt worden.

Beide Instanzen – Landgericht und Oberlandesgericht – geben dem Auftragnehmer Recht und sprechen die geltend gemachte zusätzliche Vergütung zu.

Das Landgericht hatte über die Frage, welches Material geschuldet war, ein Sachverständigengutachten eingeholt; der Sachverständige ist jedoch nicht zu einer eindeutigen Feststellung gelangt. Darauf hat das Landgericht den Bauherrn aufgefordert, den Vertrag über die entsprechenden Leistungen im ersten Bauabschnitt vorzulegen, um daraus ggf. Rückschlüsse auf das Vertragssoll im zweiten Bauabschnitt ziehen zu können; dieser Aufforderung ist der Bauherr nicht nachgekommen. Grundsätzlich ist der Auftragnehmer beweisbelastet dafür, dass eine streitige Leistung nicht von der vereinbarten Pauschale abgedeckt ist (vgl. z. B. BGH BauR 1988, 501). In der unterlassenen Vorlage des anderen Vertrages hat das Landgericht jedoch eine Beweisvereitelung zugunsten des Auftragnehmers gesehen. Das Oberlandesgericht stellt hingegen darauf ab, dass das Leistungsverzeichnis, auf dessen unklare Formulierung die Streitigkeit zurückzuführen war, vom Architekten des Bauherrn erstellt war, so dass es sachgerecht sei, hier eine andere Beweislastverteilung anzunehmen. Der Bauherr sei also beweispflichtig dafür gewesen, dass das vorbewitterte Zinkblech Bestandteil der Pauschalleistung gewesen ist, und er habe diesen Beweis nicht erbracht.

Praxishinweis
Die Entscheidung mag im Einzelfall zum richtigen Ergebnis geführt haben; die Begründung ist jedoch in mehrerlei Hinsicht zumindest bedenklich:

Zum einen dürfte es jedenfalls bei Detail-Pauschalverträgen der Standardfall sein, dass die Leistungsbeschreibung vom Architekten des Bauherrn stammt. Es stellt sich dann aber die Frage, wieso vorliegend eine Ausnahme gelten soll, dass der Auftragnehmer beweispflichtig dafür ist, dass die streitige Leistung nicht zum pauschalierten Vertragsinhalt gehört. Zum anderen entspricht es zwar (leider) gängiger Gerichtspraxis, dass über Fragen des Bausolls ein Sachverständigengutachten eingeholt wird, streng genommen ist dies aber falsch. Die Auslegung des Leistungsverzeichnisses ist eine Rechtsfrage, bei der sich das Gericht zwar von einem Sachverständigen unterstützen lassen kann; dies macht aber aus der Rechtsfrage keine Tatsachenfrage, über die Beweis zu erheben wäre. Auf die Beweislastverteilung kommt es insoweit also nicht an.