BGH, Urteil vom 27.01.2011 – VII ZR 186/09 – veröffentlicht in IBR 2011, 190

Entscheidung

Nach bereits erfolgter mündlicher Beauftragung lädt der Auftraggeber (AG) den Auftragnehmer (AN) zu einer Verhandlung ein, um den Vertragsabschluss formell zu bestätigen. Der AN schickt zu dieser Verhandlung einen Mitarbeiter, der keine Vollmacht hat, Verträge abzuschließen. Im Rahmen der Verhandlungen vereinbaren die Anwesenden Änderungen des Vertrags. Der AG übermittelt ein von den Anwesenden unterzeichnetes Verhandlungsprotokoll an den AN. Dieser widerspricht nicht. Später verlangt der AG die Einhaltung der im Verhandlungsprotokoll festgehaltenen Absprachen. Der AN beruft sich darauf, dass die getroffenen Vereinbarungen für ihn nicht wirksam seien, da der Mitarbeiter keine entsprechende Vollmacht gehabt habe.

Dies sieht der BGH anders. Wenn eine Vertragspartei nach Vertragsabschluss zu Verhandlungen über den Vertrag einlädt, muss die andere Partei damit rechnen, dass Änderungen des Vertrages festgelegt werden. Entsendet sie einen Mitarbeiter zu einem solchen Termin, erweckt sie den Anschein, dass dieser Vollmacht hat, Vertragsänderungen vorzunehmen. Jedenfalls kann die einladende Partei auf eine solche Vollmacht vertrauen, sofern sie nicht besonders darauf hingewiesen wird, dass gerade keine Vollmacht vorliegt. Selbst wenn – wie im vorliegenden Fall – der AN nur zu einer formellen Bestätigung des bereits erteilten Auftrags geladen wurde, also davon ausgehen konnte, dass keine Vertragsänderungen vereinbart werden sollen, hätte er dem ihm übersandten Verhandlungsprotokoll, aus dem sich die Vertragsänderungen erkennen ließen, unverzüglich widersprechen müssen. Der BGH sieht in einem solchen Verhandlungsprotokoll ein dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben vergleichbares Schreiben, so dass er die hierzu entwickelten Grundsätze entsprechend anwendet. Wenn ein solches Protokoll also auf eine bestimmte mündlich getroffene Absprache Bezug nimmt, in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Gespräch zugeht und nicht wesentlich von den getroffenen Vereinbarungen abweicht, wird der Inhalt des Schreibens verbindlich. Der Empfänger eines solchen Schreibens ist nach Treu und Glauben verpflichtet, den Inhalt eines solchen Schreibens zu prüfen. Widerspricht er nicht, gelten die getroffenen Vereinbarungen als genehmigt.

Praxishinweis
Das Urteil des BGH ist nicht nur für Verhandlungsprotokolle brisant. Auch bei der Abwicklung von Bauverträgen werden in Baubesprechungen oder sog. „Jour-Fixe-Terminen“ häufig Änderungen der beiderseitigen Leistungspflichten getroffen, um auftretende technische oder rechtliche Probleme zu lösen. Es ist üblich, dass über solche Verhandlungen Protokolle erstellt und an die Beteiligten verschickt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es nun nicht mehr einfach möglich, sich auf eine fehlende Vollmacht der an diesen Besprechungen teilnehmenden Mitarbeiter zu berufen. Es ist daher dringend zu empfehlen, dass alle Besprechungsprotokolle umgehend nach Zugang geprüft werden und unverzüglich ein schriftlicher Widerspruch erhoben wird, wenn die getroffenen Festlegungen nicht akzeptiert werden sollten.

Dies gilt auch für Architekten oder Behörden, da die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens nicht nur auf Kaufleute im handelsrechtlichen Sinn anzuwenden sind, sondern auf alle, die wie ein Kaufmann selbständig und in größerem Umfang am Rechtsverkehr teilnehmen. Lediglich gegenüber Verbrauchern gilt dies nicht.