Will man sich als Bieter in einem Vergabeverfahren offenhalten, die Ausschreibung in einem Nachprüfungsverfahren auf seine Ordnungsmäßigkeit überprüfen zu lassen, müssen erkannte Verfahrensverstöße gerügt werden. § 107 GWB setzt nämlich voraus, dass Anträge auf die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nur dann zulässig sind, wenn die Verstöße „unverzüglich“ gerügt worden sind. Fraglich ist daher regelmäßig, welcher Zeitraum noch als „unverzüglich“ angesehen wird. Üblicherweise folgert man aus § 121 Abs. 1 BGB, dass dies bedeutet, ohne schuldhaftes Zögern zu handeln. Die Rechtsprechung hierzu ist jedoch äußerst uneinheitlich:

Sehr streng sind beispielsweise die Vergabekammer Nordbayern und die Vergabekammer Hessen. Diese sind der Auffassung, dass Beanstandungen tunlichst noch am Tag des Zugangs der Ausschreibungsunterlagen bzw. am Folgetag erfolgen müssen. Eine Rüge, die vier Tage später einging, wurde von der VK Hessen als nicht mehr unverzüglich eingestuft. Demgegenüber hält die VK Düsseldorf eine Rügefrist von weniger als drei Werktagen für nicht mehr praktikabel. Allerdings geht auch sie davon aus, dass bei einfachen Sachverhalten drei Tage ausreichen können. Bis zu fünf Werktage nach Kenntniserlangung werden von den Vergabekammern Südbayern, Baden-Württemberg, Sachsen u. a. als noch angemessen angesehen. 

In schwierigen Fällen kann auch eine längere Frist noch als unverzüglich angesehen werden. In der Rechtsprechung der Vergabekammern hat sich als Obergrenze eine Frist von zwei Wochen ab Kenntniserlangung durchgesetzt. Dies gilt im Übrigen auch, wenn sich der Bieter während des gesamten Verfahrens anwaltlich beraten lässt. Eine Verlängerung hierdurch ergibt sich nicht. 

Durch das Urteil des EuGH vom 28.01.2010 (wir berichteten), mit dem eine vergleichbar unbestimmte Regelung aus England & Wales für nicht europarechtskonform angesehen wurde, ist es in Deutschland umstritten, ob die Regelung in § 107 GWB überhaupt wirksam ist. Ausschreibende Stellen sind daher dazu übergegangen, die Rügefristen explizit in den Vergabeunterlagen festzulegen. Hierauf sollte man als Bieter unbedingt achten und die festgelegten Fristen einhalten. Gibt es keine festgelegten Fristen, sollte eine Verfahrensrüge weiterhin frühzeitig innerhalb weniger Tage erhoben werden, um sich die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens in jedem Fall offenzuhalten

Rechtsanwältin Gisa Klaus