KG, Urteil vom 13.04.2021 – 21 U 45/19

 

In dem Urteil beschäftigt sich der Senat mit Werklohnansprüchen für Leistungen, die nicht im Auftragnehmer-Leistungsverzeichnis enthalten waren.

Der Auftragnehmer erbringt Bauleistungen im Bereich Sanitär-, Heizungs-, Klima- und Kältetechnik und wird vom Auftraggeber nach aufgetretenen Undichtigkeiten im Gasverteilungssystem mit der Reparatur bzw. Neuherstellung von Gassträngen in einem Altbau beauftragt. Die Beauftragung erfolgt auf der Grundlage eines auftragnehmerseits erstellten Leistungsverzeichnisses. Nach Fertigstellung der Arbeiten bemängelt der Auftraggeber, dass die Durchführungen der verlegten Leitungen durch die Decken nicht dicht seien, so dass u. a. Essensgerüche von einem Stockwerk zum anderen dringen können.

Der Auftraggeber verweigert die Schlusszahlung, da der Auftragnehmer bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses die Abdichtungsarbeiten hätte aufführen müssen, weshalb die Leistungen vergütungsneutral zu erbringen seien. Der Auftragnehmer erhebt Klage.

 

Das Urteil

Das Kammergericht spricht dem Auftragnehmer den Vergütungsanspruch zu. Dass der Auftragnehmer das Leistungsverzeichnis selbst erstellt hat, ändert nichts an der Vergütungspflicht „vergessener Leistungen“. Das Verschließen der Deckendurchbrüche war im Leistungsverzeichnis nicht aufgeführt und deshalb nicht mit den vereinbarten Preisen abgegolten. Aufgrund der Funktionsuntauglichkeit der Maßnahme bestehe zwar grundsätzlich ein Anspruch des Auftraggebers auf „Mangelbeseitigung“, jedoch seien diese zu vergüten. Das Gericht bezieht in seine Bewertung mit ein, dass die Baumaßnahme aufgrund eines konkreten Schadensfalls beauftragt wurde und der Auftraggeber sich vom Auftragnehmer eine günstige Reparaturmaßnahme wünschte. In solch gelagerten Fällen sei für den Auftraggeber erkennbar, dass sich der genaue Umfang der Leistungen gegebenenfalls erst im auf Laufe der Bauarbeiten zeigt und das Leistungsverzeichnis nicht abschließend ist. Ist für einen Auftragnehmer erkennbar, dass mit den Leistungen, die er für die vereinbarte Vergütung zu erbringen hat, kein funktionstauglicher Erfolg zu erzielen ist und weist er den Besteller nicht darauf hin, könne dies einen Schadensersatzanspruch begründen. Dies setze allerdings weiter voraus, dass der Besteller im Falle des Hinweises den Unternehmer nicht oder jedenfalls nicht in diesem Umfang beauftragt hätte. Im hiesigen Fall konnte der Auftraggeber das Gericht hingegen nicht davon überzeugen, dass er dem Auftragnehmer den Auftrag nicht erteilt hätte, wenn ihn der Auftragnehmer auf die Mehrkosten hingewiesen hätte. Daher müsse der Auftraggeber den Werklohn Zug-um-Zug gegen Erledigung der Abdichtungsarbeiten bezahlen (eine Frist zur Mängelbeseitigung hat der Auftraggeber nicht gesetzt).

 

Praxistipp

Das Urteil behandelt einen Sonderfall, aus dem man jedoch das Allgemeingültige ableiten kann:

Obwohl der Auftragnehmer ursprünglich ein unvollständiges Leistungsverzeichnis erstellt hatte (die Baumaßnahme wäre ohne Abdichtung nie funktionstauglich gewesen), erhält er die „vergessenen“ Leistungen letztlich vergütet. Grund hierfür ist die Einzelfallbetrachtung der Kammer, die in die Bewertung die Umstände des Auftragsverhältnisses miteinfließen lässt: Beauftragt war eine punktuelle Reparatur- bzw. Sanierungsmaßnahme, kein Neubau; der Auftraggeber wünschte vor allem eine günstige Reparatur, also eine Minimallösung. An die Vollständigkeit des Leistungsverzeichnisses werden (nur) in solchen Fällen keine hohen Maßstäbe gesetzt. Hierbei handelt es sich um einen Einzelfall. Grundsätzlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass, wenn zum Zeitpunkt der Erstellung des Leistungsverzeichnisses erkennbar notwendige Leistungen vergessen werden, eine zusätzliche Vergütung für diese erfolgt.

 

Rechtsanwalt Fritz Zelta

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht