OLG Brandenburg, Urteil vom 16.06.2021 – 11 U 16/18

In diesem Urteil befasst sich der Senat mit der Anpassung der Vergütung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinators (SiGeKo), wenn die zu koordinierenden Bauarbeiten aufgrund von Verzögerungen länger dauern als bei Vertragsschluss vorgesehen.

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall beauftragte der Auftraggeber einen SiGeKo mit der Erbringung von Leistungen im Rahmen eines Flughafenbaus. Dies erfolgte auf Grundlage seines Angebots, das die Erbringung der Leistung für einen definierten Leistungszeitraum vorsieht. Die Eröffnung des Flughafens verschob sich, so dass der SiGeKo über den definierten Leistungszeitraum hinaus tätig wurde. Für die Leistungen, die der SiGeKO nach dem vertraglich vereinbarten Zeitraum zu erbringen hatte, legte er dem Auftraggeber jeweils Nachtragsangebote zu Pauschalhonoraren. Zwar beauftragte der Arbeitgeber die Nachträge nicht, er leistete aber für einige der zusätzlichen Monate Abschlagszahlungen. Mit der Klage macht der SiGeKo das Honorar für die übrigen Monate geltend.

Das OLG Brandenburg bestätigt den Anspruch des SiGeKos dem Grunde nach. Bezüglich des Anspruchs der Höhe nach, stehe dem SiGeKo – nach Ansicht des Senats – sogar ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu, er habe also das Recht die Honorarhöhe für die die Zusatzvergütung selbst zu bestimmen (im Rahmen billigen Ermessens).

Der zwischen den Parteien zustande gekommene Vertrag habe nicht geregelt, wie sich die Verlängerung der Bauzeit wegen Verzögerung auf die Vergütung des SiGeKos auswirkt. Da diese Regelung fehlt, sei der Vertrag lückenhaft und das Zusatzhonorar müsse im Wege der sog. ergänzenden Vertragsauslegung festgelegt werden. Die ergänzende Vertragsauslegung erfolgt nach dem hypothetischen Willen der Parteien bei Vertragsschluss. Für den Auftraggeber sei es bei Vertragsschluss offensichtlich gewesen, dass der SiGeKo sein Honorar unter der Annahme kalkulierte, dass der Eröffnungstermin gehalten wird und der Baufortschritt des Flughafens sei somit Grundlage des Vertrags geworden. Die vom Senat durchgeführte ergänzende Vertragsauslegung kommt zu dem Ergebnis, dass dem SiGeKo bezüglich der Honorarhöhe ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zustehe. Zur Begründung führt der Senat aus, dass die Parteien bei Kenntnis der Entwicklung des Flughafenbaus dem SiGeKo im Rahmen der Vertragsgestaltung zugestanden hätten, auf Grundlage seiner Kalkulation monatliche Pauschalen entsprechend dem tatsächlichen Aufwand fortzuschreiben und anzupassen. Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht gewährt dem SiGeKo keine „freie Hand“ bei der Bestimmung des Honorars, sondern einen Handlungsspielraum im Rahmen des billigen Ermessens. Dieses habe der SiGeKo mit seinen Nachtragsangeboten zutreffend ausgeübt, da er die monatliche Pauschale nach seiner ursprünglichen Kalkulation für einen Vollbetrieb der Baustelle heranzog.

 

Hinweis

Im vorliegenden Fall nimmt der Senat für den im Jahr 2012 geschlossenen SiGeKo-Vertrag an, dass es sich um einen Dienstvertrag mit werkvertraglichen Elementen handelt. Andere SiGeKo-Verträge können auch als Werkverträge qualifiziert werden, insbesondere wenn die Parteien als Erfolg die unfallfreie Bauausführung vereinbaren. Aufgrund der unterschiedlichen Vergütungssysteme des Dienst- und des Werkvertrags, kann diese Entscheidung deshalb nicht zwingend auf alle SiGeKo-Vertragsverhältnisse übertragen werden. Auch unterlässt es der Senat zu erklären, warum er bezüglich der Höhe der Vergütung nicht auf die Regelungen des § 612 Abs. 2 BGB (Vergütung Dienstvertrag) oder des § 632 Abs. 2 BGB (Vergütung Werkvertrag) abstellt, die beide bei nicht vereinbarter Vergütungshöhe auf die übliche Vergütung abstellen.

Nach Auskunft des BGHs an den Autor wurde gegen dieses Urteil Rechtsmittel eingelegt, über dessen Zulassung der BGH aktuell entscheidet (Az. BGH – VII ZR 722/21). Sollte die Revision zugelassen werden, könnte sich das Ergebnis dieses Rechtsstreits noch ändern. Wir bleiben gespannt.

 

Rechtsanwalt Philipp Schlemmer