Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union (nachfolgend kurz EU genannt) hatte bereits im Jahr 2000 die Richtlinie 2000/35/EG (ABl. L 200 vom 08.08.2000, S. 35) zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr erlassen. Diese Bestimmungen wurden zunächst durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen und ab dem 01.01.2002 durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) in deutsches Recht umgesetzt. Die EU sah sich jedoch veranlasst, die in der Richtlinie 2000/35/EG getroffenen Festlegungen weiter zu verschärfen, da nach wie vor festzustellen war, dass in zunehmendem Maße Rechnungen trotz bereits erfolgter Lieferung der Waren oder erbrachten Dienstleistungen von den jeweiligen Schuldnern nicht in den gewährten Zahlungsfristen geleistet werden und dies insbesondere in Zeiten eines Wirtschaftsabschwungs zu erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten sowie einer Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit vor allem von kleineren und mittleren Unternehmen führen kann. Dem soll die Richtlinie 2011/7/EU vom 16.02.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. L 48/1 vom 23.02.2011) entgegen wirken. Hierdurch wird die Richtlinie 2000/35/EG neu gefasst. Dazu im Einzelnen:

1.
Der Anwendungsbereich dieser Richtlinie beschränkt sich weiterhin ausschließlich auf Entgeltzahlungen aus Handelsgeschäften und insoweit auf den gesamten Geschäftsverkehr; Verbraucherverträge sind davon hingegen nicht betroffen.

2.
Neuerdings erfolgt eine ausdrückliche Trennung der Vorschriften bezüglich solcher Geschäfte, die zwischen Unternehmen und zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen abgewickelt werden. Demzufolge wurden öffentliche Stellen von der bisherigen in der Richtlinie enthaltenen Definition der Unternehmen ausgenommen und um die Begriffsbestimmung „öffentliche Stellen“ ergänzt. Öffentliche Stellen sind hiernach unabhängig vom Gegenstand oder Wert des Auftrags jeder öffentliche Auftraggeber im Sinne von Artikel 2 Abs. 2 a der Richtlinie 2004/17EG und von Artikel 1 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18/EG. Öffentliche Auftraggeber sind danach der Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts und die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen.

3.
Um dem Zahlungsverzug zu entgegnen, soll der Gläubiger wie bisher in diesem Fall den gesetzlichen Zins vom Schuldner verlangen können. Dieser soll nunmehr unabhängig von einer Mahnung oder einer sonstigen Zahlungsaufforderung vom Gläubiger verlangt werden können, wenn er seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt und den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten hat, es sei denn, dass der Schuldner den Zahlungsverzug nicht zu vertreten hat (Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7/ EU).

Das BGB enthält keine speziellen Verzugsregelungen im Werkvertragsrecht; vielmehr gelten die Bestimmungen des Allgemeinen Schuldrechts, insbesondere § 286 BGB. Danach bedarf es bislang für den Verzugseintritts grundsätzlich – von den ausdrücklich im Gesetz genannten Ausnahmen abgesehen – einer Mahnung des Schuldners. Für Entgeltforderungen enthält § 286 Abs. 3 BGB allerdings die besondere Regelung, wonach der Schuldner spätestens in Verzug gerät, wenn er nicht innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet. Für den Fall, dass der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder der Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug. Insoweit widerspricht § 286 Abs. 3 BGB den Vorgaben des Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7/EU.

§ 16 Abs. 5 Nr. 3 und 4 VOB/B weicht noch erheblicher von den Vorgaben des Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7/EU ab. Verzugzinsen sind hiernach grundsätzlich trotz Fälligkeit der Vergütung erst nach Ablauf einer vom Auftragnehmer gesetzten Nachfrist zu entrichten. Handelt es sich um fällige unbestrittene Guthaben, die der Auftraggeber nicht innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten ausbezahlt, bedarf es zwar keiner Nachfristsetzung. Allerdings ist die unstreitige Rechnungssumme erst nach Ablauf von zwei Monaten zu verzinsen.

4.
Wurde der Zahlungstermin oder die Zahlungsfrist vertraglich nicht festgelegt, hat der Gläubiger nach Artikel 3 Abs. 3 b der Richtlinie 2011/7/EU Anspruch auf Verzugszinsen nach Ablauf einer der folgenden Fristen:

  • 30 Kalendertage nach dem Zeitpunkt des Eingangs der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung beim Schuldner;
  • wenn der Zeitpunkt des Eingangs der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung unsicher ist, 30 Kalendertage nach dem Zeitpunkt des Empfangs der Waren oder Dienstleistungen;
  • wenn der Schuldner die Rechnung oder die gleichwertige Zahlungsaufforderung vor dem Empfang der Waren oder Dienstleistungen erhält, 30 Kalendertage nach dem Zeitpunkt des Empfangs der Waren oder Dienstleistungen;
  • wenn ein Abnahme- oder Überprüfungsverfahren, durch das die Übereinstimmung der Waren oder Dienstleistungen mit dem Vertrag festgestellt werden soll, gesetzlich oder vertraglich vorgesehen ist und wenn der Schuldner die Rechnung oder eine gleichwertige Zahlungsaufforderung vor oder zu dem Zeitpunkt, zu dem die Abnahme oder Überprüfung erfolgt, erhält, 30 Kalendertage nach dem letzterem Zeitpunkt.

Bei Geschäften, an denen eine öffentliche Stelle als Schuldner beteiligt ist, haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Zahlungsfristen keine der vorgenannten Fristen überschreiten und der Zeitpunkt des Rechnungseingangs nicht Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger ist. Eine Ausnahmeregelung dazu ist für die abschließend in Artikel 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/7/EU aufgeführten öffentlichen Stellen vorgesehen, wozu auch solche zählen, die wirtschaftliche Tätigkeiten industrieller oder kommerzieller Natur ausüben, indem sie Dienstleistungen oder Waren auf dem Markt anbieten. Diese öffentlichen Stellen betreffend können die vorgenanten Fristen auf bis zu 60 Tage verlängert werden.

5.
Neu ist die Regelung zu Abnahme- und Überprüfungsverfahren (Artikel 3 Abs. 4 der Richtlinie 2011/7/EU). Hiernach soll die Höchstdauer dieser Verfahren bei Verträgen zwischen Unternehmen und Unternehmen mit öffentlichen Stellen eine Frist von 30 Kalendertagen ab dem Empfang der Waren oder Dienstleistungen nicht überschreiten. Davon abweichende Vereinbarungen können nur dann getroffen werden, wenn der Gläubiger hierdurch nicht grob benachteiligt wird.

Die Abnahme von Werkleistungen wird derzeit in § 640 BGB geregelt. Danach ist der Besteller ohne Bestimmung einer weiteren Frist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen. Kommt er allerdings seiner Abnahmeverpflichtung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nach, gilt das Werk als abgenommen. Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Artikel 3 Abs. 4 der Richtlinie 2011/7/EU, dürfte die angemessene Frist 30 Kalendertage mithin nicht mehr überschreiten, solange die Vertragsparteien keine davon abweichende Regelung treffen, die den Auftragnehmer grob benachteiligt.

Die VOB/B sieht eine kürzere als die in Artikel 3 Abs. 4 der Richtlinie 2011/7/EU vorgesehene Abnahmefrist von 30 Tagen vor. Nach § 12 Abs. 1 VOB/B kann der Auftragnehmer nach Fertigstellung des Werkes dessen Abnahme innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Werktagen vom Auftraggeber verlangen. Wird eine Abnahme nicht verlangt, gilt die Leistung gegenüber dem Auftraggeber zwölf Tage nach Mitteilung der Fertigstellung als abgenommen. Für den Fall, dass der Auftraggeber die Leistung oder einen Teil derer in Benutzung genommen hat, tritt die Abnahmefiktion sogar bereits sechs Werktage nach Benutzungsbeginn ein.

Allerdings wird nach § 12 Abs. 1, 2. Halbsatz VOB/B den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, abweichende vertragliche Regelungen über die Abnahmefrist zu treffen. Insoweit ist die formularmäßige Vereinbarung von 24 Werktagen nach der Rechtsprechung des BGH unbeanstandet geblieben (BGH, Urteil vom 16.12.1982 – VII ZR 92/82, BauR 1983, 161). Auch hier wird zukünftig gelten, dass längere Fristen als 30 Tage nur dann wirksam vereinbart werden können, wenn der Auftragnehmer hierdurch nicht grob benachteiligt wird.

6.
Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass bei Rechtsgeschäften zwischen Unternehmen eine Zahlungsfrist von mehr als 60 Kalendertagen grundsätzlich nicht vereinbart werden kann. Eine längere Frist soll nur dann vereinbart werden können, wenn diese im Vertrag ausdrücklich geregelt ist und den Gläubiger nicht grob benachteiligt (Artikel 3 Abs. 5 der Richtlinie 2011/7/EU). Bei Geschäften zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen beträgt die Zahlungsfrist lediglich 30 Kalendertage und soll selbst im Fall einer darüber hinausgehenden vertraglichen Vereinbarung nur dann vereinbart werden können, wenn dies aufgrund der besonderen Natur oder Merkmale des Vertrages sachlich gerechtfertigt ist. Keinesfalls darf jedoch eine Frist von 60 Kalendertagen überschritten werden (Artikel 4 Abs. 6 der Richtlinie 2011/7/EU).

Zahlungsfristen sind im Werkvertragsrecht des BGB hinsichtlich der Vergütung nicht vorgesehen. Vielmehr wird die Fälligkeitsvoraussetzung geregelt, wonach die Vergütung bei der Abnahme des Werkes zu entrichten ist (§ 641 Abs. 1 BGB).

Die VOB/B geht über die Regelung des BGB hinaus. Voraussetzung für die Zahlung der Schlussrechnung ist nach § 16 Abs. 2 VOB/B neben der Abnahme der Leistung der Zugang einer prüfbaren Schlussrechnung beim Auftraggeber. Erst nach deren Prüfung, spätestens aber nach Ablauf von zwei Monaten nach deren Vorlage beim Auftraggeber wird der Anspruch auf Zahlung der Schlussrechnung fällig.

7.
Die Höhe des Verzugszinses bestimmt sich innerhalb der EURO-Staaten nach dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) herausgegebenen Zinssatz für ihre jüngsten Hauptrefinanzierungsoperationen oder dem marginalen Zinssatz, der sich aus Tenderverfahren mit variablem Zinssatz für die jüngsten Hauptrefinanzierungsoperationen der EZB ergibt, zuzüglich mindestens acht Prozentpunkte (Artikel 2 Abs. 5 – 7 der Richtlinie 2011/7/EU).

Gemäß § 288 Abs. 2 BGB beträgt der gesetzliche Zinssatz für Geschäfte, an denen kein Verbraucher beteiligt ist, zum jetzigen Zeitpunkt bereits acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

8.
Ausdrücklich geregelt wird, dass die in der Richtlinie 2011/7/EU getroffenen Regelungen einer Ratenzahlungsvereinbarung nicht entgegenstehen (Artikel 5 der Richtlinie 2011/7/EU).

9.
Die Richtlinie sieht im Fall des Zahlungsverzuges nunmehr eine pauschale Entschädigung des Gläubigers für die Beitreibungskosten in Höhe von mindestens 40,00 € vor. Dieser Betrag ist ebenfalls ohne Mahnung fällig. Daneben bleibt es dem Gläubiger unbenommen, weitere, den Pauschalbetrag übersteigende Beibringungskosten, insbesondere die für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens, vom Schuldner zu verlangen (Artikel 6 der Richtlinie 2011/7/EU).

10.
Durch die Mitgliedsstaaten ist zu regeln, dass vertragliche Vereinbarungen, die von den vorgenannten Regelungen über den Zahlungstermin, die Zahlungsfrist oder den Verzugszins abweichen und für den Gläubiger grob nachteilig sind, entweder nicht durchsetzbar sind oder einen Schadensersatzanspruch begründen. Anders als noch in der Richtlinie 2000/35/EG vorgesehen, werden jedoch einzelne Tatbestände, wann von einem groben Nachteil auszugehen ist, festgelegt. Als grob nachteilig sind danach solche Klauseln zu bewerten, die Verzugszinsen oder die Geltendmachung von Beitreibungskosten ausschließen (Artikel 7 der Richtlinie 2011/7/ EU).

Diese Regelungen der Richtlinie 2011/7/EU sind von den jeweiligen Mitgliedsstaaten bis spätestens 16.03.2013 in nationales Recht umzusetzen. Dabei bleibt es den Mitgliedsstaaten überlassen festzulegen, ob die Bestimmungen auch rückwirkend für die bis zu diesem Zeitpunkt geschlossenen Verträge Anwendung finden (Artikel 12 der Richtlinie 2011/7/EU). Unabhängig davon, ob die Richtlinie bis zu diesem Zeitpunkt in innerdeutsches Recht umgesetzt wird, wird die bisher geltende Richtlinie 2000/35/EG zum 16.03.2013 aufgehoben und bleibt nur für solche Verträge anwendbar, die zeitlich vorher geschlossen wurden.

Den Mitgliedsstaaten ist es gestattet, Vorschriften beizubehalten oder zu erlassen, die für den Gläubiger günstiger sind als die zur Erfüllung der in der Richtlinie 2011/7/EU verabschiedeten Maßnahmen. Sehen also die derzeitigen Regelungen, wie zuvor ausgeführt, kürzere Zahlungs- oder Abnahmefristen vor, besteht kein Handlungsbedarf des deutschen Gesetzgebers. Hinsichtlich der Umsetzung der weiteren Vorgaben der Richtlinie 2011/7/EU liegt jedoch bislang noch kein Gesetzentwurf vor.

Es bleibt daher anzuwarten, in welchem Umfang der deutsche Gesetzgeber Gesetzesänderungen vornehmen wird.