BGH, Urteil vom 02.09.2010 – VII ZR 110/09 – veröffentlicht in IBR 2010, 611

Entscheidung
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall wurde der Auftragnehmer mit der Ausführung von heizungstechnischen Anlagen beauftragt. Nach Abnahme der Leistungen durch den Auftraggeber zeigten sich Feuchtigkeitsschäden an einer Wand. Der Auftraggeber forderte daraufhin den Auftragnehmer unter Fristsetzung dazu auf, die undichte Stelle zu lokalisieren und ein Konzept für die Schadensbeseitigung zu erstellen. Der Auftragnehmer erklärte hierzu, dass er die geforderte Mängeluntersuchung nur durchführen werde, wenn sich der Auftraggeber dazu bereit erkläre, die Kosten für die Untersuchung und die weiteren Maßnahmen zu tragen, wenn sich während der Arbeiten herausstellen sollte, dass der Wasserschaden nicht auf eine mangelhafte Leistung des Auftragnehmers zurückzuführen ist. Der Auftraggeber reagierte auf diese Aufforderung nicht und der Auftragnehmer erschien folglich nicht zur Mängeluntersuchung. In der Folgezeit kam es erneut zu einem Wasseraustritt an derselben Stelle, der dadurch entstandene Schaden war allerdings weitaus größer. Es stellte sich heraus, dass für die Wasseraustritte eine undichte Stelle im Heizkreislauf und somit eine mangelhafte Leistung des Auftragnehmers verantwortlich war. Der Auftraggeber verlangte daraufhin Schadensersatz, der Auftragnehmer wendete dagegen ein, dass den Auftraggeber ein Mitverschulden treffe, da er es unterlassen habe, eine Erklärung hinsichtlich der Kostentragung abzugeben und somit eine Mängeluntersuchung bereits nach Auftreten des ersten Wasserschadens verhindert habe.

Der BGH gab der Schadensersatzklage des Auftraggebers in vollem Umfang statt. Den Auftraggeber traf kein Mitverschulden, da es grundsätzlich Pflicht des Auftragnehmers ist, die Mängelbehauptungen zu prüfen und Grund und Umfang seiner Leistungspflicht selbst zu beurteilen. Er hat insbesondere keinen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber eine Willenserklärung dahingehend abgibt, wonach er die Kosten für die Untersuchung und weitere Maßnahmen für den Fall übernimmt, dass den Auftragnehmer keine Verantwortung an dem Schaden trifft. Verweigert der Auftragnehmer die Mängelbeseitigung, weil der Auftraggeber keine derartige Willenserklärung abgegeben hat, so kann er gegen den Auftraggeber später nicht den Mitverschuldenseinwand vorbringen, wenn aufgrund des Mangels ein weiterer Schaden entsteht. Der BGH verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Auftragnehmer auch ohne Abschluss einer derartigen Vereinbarung nicht schutzlos ist. Bei einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme zur Mängelbeseitigung erwachsen dem Auftragnehmer gesetzliche Ansprüche, wenn der Auftraggeber im Rahmen seiner Möglichkeiten erkannt hat bzw. hätte erkennen können, dass der in Anspruch genommene Auftragnehmer nicht für den Schaden verantwortlich ist. Dabei lässt der BGH allerdings offen, inwieweit die zum Kaufrecht entwickelten Grundsätze auch auf das Werkvertragsrecht übertragbar sind (BGH, Urteil vom 23.01.2008 – VIII ZR 246/06 veröffentlicht in IBR 2008, 144).

Praxishinweis
In einer zum Kaufrecht ergangenen Entscheidung setzte sich der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2008 mit einem unberechtigten Mängelbeseitigungsverlangen des Käufers auseinander (BGH, Urteil vom 23.01.2008 – VIII ZR 246/06 veröffentlicht in IBR 2008, 144). Dabei entschied der BGH, dass der Käufer dem Verkäufer die Kosten zu ersetzen hat, die durch die Mängeluntersuchung entstanden sind, da der Käufer im Rahmen seiner Möglichkeiten hätte erkennen müssen, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache für die von ihm beanstandete Erscheinung in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt. Hat der Käufer jedoch eine Untersuchung vorgenommen und lässt sich dabei nicht abschließend klären, ob die Leistung des Verkäufers mangelhaft ist, so kann der Käufer die ihm zustehenden Mängelrechte geltend machen, ohne befürchten zu müssen, dass er Schadensersatzansprüchen wegen schuldhafter Vertragsverletzung ausgesetzt ist. Inwieweit diese Entscheidung auf das Werkvertragsrecht Anwendung findet, hat der BGH allerdings in der hier besprochenen Entscheidung offen gelassen.

Auch für den Fall, dass dem Auftraggeber ein schuldhaftes Verhalten hinsichtlich der unberechtigten Mängelrüge nicht vorgeworfen werden kann, ist der Auftraggeber gegebenenfalls dazu verpflichtet, die Kosten der Mängeluntersuchung zu tragen. Erklärt der Auftragnehmer ausdrücklich, er werde eine Kostenerstattung verlangen, sollte sich bei der Mängeluntersuchung herausstellen, dass eine Verantwortlichkeit seinerseits für den Mangel nicht vorliegt, so hat der Auftraggeber die Kosten zu ersetzen, wenn er entweder hierauf nicht reagiert und den Auftragnehmer die Mängeluntersuchung dennoch ausführen lässt oder sich ausdrücklich zur Kostentragung bereit erklärt (LG Kassel, Urteil vom 01.02.2008 – 12 S 2/06 veröffentlicht in IBR 2008, 209; OLG Brandenburg, Urteil vom 16.01.2008 – 4 U 49/07 veröffentlicht in IBR 2008, 208).

Wie die vorliegend besprochene Entscheidung zeigt, empfiehlt es sich jedoch nicht, keine Mängeluntersuchungen vorzunehmen, wenn der Auftraggeber die Abgabe einer derartigen Erklärung verweigert.

Sollte tatsächlich ein Mangel vorliegen und dieser später zu einem erneuten Schaden führen, so haftet der Auftragnehmer auch für diesen Schaden.