OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 19.03.2021 – 2 U 143/20 (nicht rechtskräftig)

 

Die Parteien eines Gewerberaummietverhältnisses streiten insbesondere über die fällige Aprilmiete 2020 für den Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts.

Es besteht ein Mietvertrag über ein 105 qm großes Ladengeschäft zum Verkauf von Damenmode in Frankfurt mit einer monatlichen Nettomiete in Höhe von 9.847,27 €.

Es erfolgte eine Betriebsschließung nach dem Infektionsschutzgesetz vom 18.03.2020 bis 19.04.2020. Auch nach Öffnung des Geschäfts beklagte die Mieterin (Beklagte) pandemiebedingt erhebliche Umsatzeinbußen, welche von der Vermieterin (Klägerin) bestritten wurden. Die April-Miete bezahlte die Mieterin nicht; für Mai und Juni 2020 minderte sie die Miete um 25 %.

Die Vermieterin erhob Klage im Urkundenverfahren hinsichtlich der Mietrückstände; die Mieterin wandte §§ 536, 275 und 313 BGB ein. Das Landgericht gab der Klage durch Vorbehaltsurteil statt und hat der Mieterin ihre Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

 

Entscheidung

Die Berufung der Mieterin wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen:

Im Urkundenverfahren kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages Herabsetzung des Mietzinses verlangen könnte (§ 313 Abs. 1 BGB). Diese Einwendung der Beklagten ist als im Urkundenprozess unstatthaft zurückzuweisen, da der ihr obliegende Beweis für die von ihr hierzu vorgetragenen Tatsachen nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten und mit solchen Beweismitteln nicht vollständig geführt werden kann (§ 598 ZPO).

Zwar kommt eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) grundsätzlich in Betracht; es müssen aber die hier streitigen besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.

Da eine schematische Lösung nicht zulässig ist, dürfen die Einwendungen der Mieterin wegen der gesetzlichen Einschränkung der zulässigen Beweismittel nach § 595 Abs. 2 und 3 BGB nicht berücksichtigt werden.

Die Mieterin ist daher auf das Nachverfahren zu verweisen.

 

Praxistipp

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts stellt eine umfassende Zusammenfassung der aktuellen Rechtslage und der bisherigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte München, Karlsruhe und Dresden dar.

Dieses Urteil eröffnet jedem Vermieter auch bei den derzeitigen Schließungen die Geltendmachung rückständiger Miete im Wege des Urkundenprozesses.

Die Einwendungen der Mieter müssen aber beweisbedürftig sein; sind sie offenkundig (Betriebsschließungen) oder unstreitig (zugestanden, nicht bestritten), müssen sie auch im Urkundenprozess berücksichtigt werden.

Im Übrigen gilt auch für Einwendungen der Mieter, dass nur Urkunden oder ein Antrag auf Parteivernehmung zulässig sind; alle anderen Beweismittel sind ausgeschlossen, auch wenn sie verfügbar wären.

Die Zulassung des Urkundenbeweises nach §§ 598, 595 Abs. 2 ZPO bedeutet aber auch, dass der Mieter einzelne Abwägungskriterien (z. B. staatliche Unterstützungen, Kredite etc.) durch Urkunden beweisen kann.

Letztlich bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof sich dieser Einschätzung anschließen wird.

 

Rechtsanwalt Carl Mang

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht