BGH, Beschluss vom 08.10.2009 – V ZB 84/09 – veröffentlicht in IBR 2010, 64

Entscheidung
Die Käufer erwerben vom Beklagten durch notariellen Kaufvertrag ein Haus nebst Grundstück. Nach Abschluss des Kaufvertrages stellt sich heraus, dass das Haus Feuchtigkeits- und andere Schäden aufweist. Der Verkäufer bestreitet das Vorliegen dieser Schäden und führt weiter aus, selbst wenn diese Schäden nunmehr bestünden, wären sie zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses noch nicht erkennbar gewesen. Daraufhin leiten die Käufer ein selbständiges Beweisverfahren ein. Im Rahmen dieses selbständigen Beweisverfahrens soll der Sachverständige gemäß den Anträgen der Käufer auch Feststellungen zu der Frage treffen, ob die Durchfeuchtungen und Schäden für den Verkäufer/die Bewohner vor Vertragsschluss erkennbar waren oder sie diese Schäden hätten erkennen müssen. Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht lehnen die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesen Fragen ab. Zur Begründung führen sie unter anderem aus, es läge kein zulässiges Beweisthema vor. Die Beweisfragen bezögen sich nicht auf den Zustand einer Sache, sondern auf die Fähigkeit einer Person, einen bestimmten Zustand wahrzunehmen. Dies habe das Gericht, nicht aber ein Bausachverständiger zu beurteilen. Die Rechtsbeschwerde der Käufer zum BGH hat Erfolg. Der BGH ergänzt die Beweisfragen, wonach festgestellt werden soll, ob der Eigentümer/die Bewohner die Schäden aus „sachverständiger Sicht“ hätten erkennen können oder müssen. Das rechtliche Interesse der Käufer liegt nach Auffassung des BGH darin, dass die beantragten Feststellungen für die Prüfung etwaiger Ansprüche von wesentlicher Bedeutung sind und zudem der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen. Die Feststellung der Erkennbarkeit von Schäden beantwortet auch keine Rechtsfrage, so der BGH weiter, sondern bestimmt die tatsächlichen Verhältnisse, die zur gerichtlichen Beurteilung dieser Rechtsfragen von Bedeutung sind. Die Frage nach der Erkennbarkeit von Schäden/Mängeln gehöre zum fachlichen Aufgabenbereich eines Bausachverständigen.

Praxishinweis
Die Entscheidung ist richtig. Gegenstand der beantragten Begutachtung ist nicht die Wahrnehmungsfähigkeit einer bestimmten Person. Vielmehr soll der Gutachter die Frage klären, ob sich die zu prüfenden Schäden dem Bewohner mit den ihm üblicherweise zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten von selbst erschließen oder ob es hierzu besonderer Fähigkeiten oder Anstrengungen bedarf. Die Frage, ob die „Erkennbarkeit von Mängeln“ Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens sein kann, war lange Zeit nicht unumstritten. Der BGH hat mit dieser Entscheidung nunmehr klargestellt, dass die Erkennbarkeit von Mängeln auch im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens festgestellt werden kann.

Zu beachten ist jedoch, dass der Sachverständige die Frage der Erkennbarkeit von Mängeln aus sachverständiger bzw. „technischer“ Sicht zu beurteilen hat. Sofern nach Begutachtung durch einen Sachverständigen die Frage streitig ist, ob eine bestimmte Person einen Mangel tatsächlich erkannt hat, obliegt die Beantwortung dieser Frage als Rechtsfrage nach wie vor dem Gericht. Dieses berücksichtigt bei seiner Beweiswürdigung aber selbstverständlich die vom Sachverständigen zuvor aus „technischer Sicht“ getroffenen Feststellungen.