BGH, Urteil vom 22.07.2010 – VII ZR 77/08 – veröffentlicht in NJW-Spezial 2010, 557; IBR 2010, 574; 576; 615

Entscheidung
Der Architekt war mit der Planung und Bauüberwachung einer Doppelhaushälfte beauftragt. Zwei Jahre nach Ablauf der Verjährungsfrist kam es zur Bildung von Wasserflecken und erheblichem Schimmelpilzbefall im Inneren des Gebäudes. Als Ursache wurde eine unzureichende, nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entsprechende Befestigung einer als Dampf-sperre eingebrachten PVC-Folie festgestellt. Unstreitig haben der Architekt und der von ihm eingesetzte Bauleiter die Anbringung der Dachisolierung als handwerkliche Selbstverständlichkeit angesehen und diese daher nicht besonders überwacht. Der Bauherr klagt auf Schadensersatz.

Während Landgericht und OLG von einer Arglisthaftung des Architekten ausgingen, weshalb eine Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Mängeln nicht eingetreten sei, wird dies vom BGH ausdrücklich verneint.

Zwar habe der Architekt durch die unterbliebene Beaufsichtigung seine Bauüberwachungstätigkeit zweifellos mangelhaft erbracht, er habe jedoch nicht arglistig gehandelt. Arglistig handelt nur derjenige, der bewusst einen offenbarungspflichtigen Mangel verschweigt. Ein solches Bewusstsein fehlt jedoch, wenn ein Mangel von seinem Verursacher als solcher gar nicht wahrgenommen wird. Der Architekt sei nach Überzeugung des BGH davon ausgegangen, dass er die Ausführung der Dampfsperre nicht habe besonders kontrollieren müssen, weshalb er sein Unterlassen auch nicht als Mangel seiner Leistung bewusst verschwiegen hat.  

Auch eine Verletzung von Organisationsobliegenheiten sieht der BGH nicht. So unterliegen Schadensersatzforderungen wegen Mängeln grundsätzlich auch dann der ehemals dreißigjährigen Regelverjährung nach §§ 638 Abs. 1 Satz 1, 195 BGB a. F., wenn sich der Architekt durch unzureichende Organisation bewusst unwissend gehalten habe, weshalb er sich grundsätzlich behandeln lassen müsse, als habe er die Mängel seiner Bauüberwachungstätigkeit arglistig verschwiegen. Der BGH verweist hier auf seine bisherige Rechtsprechung, nach der der Architekt die organisatorischen Voraussetzungen schaffen muss, um sachgerecht beurteilen zu können, ob sein Werk bei Abnahme mangelfrei ist. Unterlässt er dies und wäre ein Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden, gilt für die Verjährung dasselbe, wie wenn der Architekt den offenbarungspflichtigen Mangel bei der Abnahme arglistig verschweigt. Allein das Vorhandensein von schwerwiegenden Baumängeln führt indes dann nicht zu dem Anschein eines Organisationsverschuldens, wenn der Bauüberwachungsfehler seiner Art nach auch einem sorgfältig ausgewählten und eingesetzten Bauleiter passieren kann. So kann ein Irrtum des Bauleiters über die Notwendigkeit der Kontrolle der Dampfsperre zu einer Verletzung der Bauüberwachungspflicht führen, ohne dass der Architekt gleichzeitig seine Pflicht verletzt hat, die Bauüberwachung richtig zu organisieren. Nur dann aber käme die dreißigjährige Regelverjährung in Betracht.

Praxishinweis
Mängelansprüche gegen den Architekten verjähren gemäß § 634a Nr. 2 BGB in fünf Jahren. Liegen die Voraussetzungen der Arglisthaftung oder des Organisationsverschuldens vor, gilt diese Verjährungsfrist jedoch nicht. Vielmehr gilt die allgemeine Regelverjährungsfrist von früher dreißig Jahren (§ 195 BGB a. F.) und heute drei Jahren ab Kenntnis des Bauherrn vom Bestehen der Mangelansprüche (§§ 195, 199 BGB). Das Urteil zeigt, dass es den Bauherrn kaum noch möglich sein wird, Mängelansprüche künftig nach Ablauf der Verjährungsfristen von fünf Jahren durchzusetzen. Denn  wie der BGH nunmehr klarstellt – stellt zumindest ein schwerer Mangel allein noch kein Indiz für ein Organisationsverschulden dar. Darüber hinaus wird sich der Architekt oftmals damit exkulpieren können, er sei irrtümlich davon ausgegangen, die mangelhaften Leistungen nicht überwachen zu müssen. Und letztlich wird auch der Einwand des Architekten, dass der Mangel auch bei ordnungsgemäßer Organisation hätte übersehen werden können, kaum widerlegbar sein.

Gerade für Abdichtungsarbeiten am Dach ist jedoch selbst in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung einer 10-jährigen Gewährleistungsfrist sowohl für das bauausführende Unternehmen als auch den Architekten zulässig (BGH, BauR 1996, 707). Die Aufnahme einer derartigen Klausel sei dem Bauherrn daher dringend geraten.