BGH, Urteile vom 11.08.2010 – XII ZR 123/09 und  – XII ZR 192/08 – veröffentlicht in IMR 2010, 473

Entscheidung
Bei Anmietung von Ladengeschäften zum Betrieb eines Textileinzelhandels verschwieg der Mieter jeweils, dass er hauptsächlich Produkte der Marke „Thor Steinar“ verkaufen wird. Die Marke „Thor Steinar“ ist für ihre Nähe zur rechten Szene bekannt.
In einem Fall gab der Mieter bei den Vertragsverhandlungen an, selbst hergestellte Ware zu verkaufen. Er verschleierte damit, dass das Hauptsortiment aus den Produkten der Marke „Thor Steinar“ bestand. In dem anderen Fall war Bestandteil des Mietvertrages eine Sortimentsliste, die allgemeine Angaben zu dem beabsichtigten Bekleidungsangebot enthielt, ohne jedoch eine Marke zu nennen. In diesem Fall unterzeichnete der Mieter eine Erklärung zum Mietvertrag, in dem er versicherte, dass von seinem Gewerbe keine verfassungsrechtlich relevanten Aktivitäten ausgehen. Der Vermieter focht jeweils die Mietverträge aufgrund arglistiger Täuschung an (§ 123 Abs. 1 BGB) und nahm die Mieter aufgrund der mit der Anfechtung resultierenden Beendigung der Mietverträge auf Räumung und Herausgabe der jeweiligen Gewerbeflächen gerichtlich in Anspruch (§ 546 BGB).

Der BGH gab den Vermieter Recht und entschied, dass der Vermieter dann zur Anfechtung des Mietvertrages aufgrund arglistiger Täuschung des Mieters bei Abschluss des Mietvertrages berechtigt ist, wenn der Mieter dem Vermieter solche Umstände verschweigt, die nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte eine Aufklärungspflicht begründen. Hierbei handelt es sich insbesondere um solche Umstände, die geeignet sind, dem Vermieter einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.

Die Tatsache, dass die Mieter in beiden Fällen vorwiegend die Marke „Thor Steinar“ veräußern, die rechtsradikalen Kreisen zugeordnet wird, stellt nach Feststellung des BGH einen Umstand dar, der eine Aufklärungspflicht des Mieters bei Abschluss des Mietvertrages begründete. Der BGH führt zur Begründung der Aufklärungspflicht des Mieters aus, dass der Verkauf von Waren einer Marke, die bei der öffentlichen Meinung mit einer rechtsradikalen Gesinnung in Verbindung gebracht wird, dazu führt, dass der Vermieter von Gewerberäumen, der den Verkauf dieser Waren ermöglicht, in den Ruf gerät, rechtsradikales Gedankengut zu vertreten und darüber hinaus damit rechnen muss, dass es zu Prozessen und Beschädigungen seines Eigentums und darüber hinaus zu Problemen mit weiteren Mietern kommt.

Praxishinweis
Eine allgemeine Aufklärungspflicht des Mieters besteht grundsätzlich nicht. Wenn infolge der BGH-Entscheidungen nunmehr der Mieter gehalten ist, unter Umständen selbst das Warensortiment preis zu geben, so kann dies als Wegweiser für eine erweiterte Aufklärungspflicht verstanden werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass eine fristlose Kündigung, die auf ein Verhalten des Mieters gestützt wird, der Abmahnung bedarf (§ 543 Abs. 3 BGB), können die nunmehrigen Entscheidungen des BGH eine effektive Möglichkeit bieten, sich von einem Mieter kurzfristig zu lösen, der aufgrund seines Gewerbebetriebes in dem Objekt für Unruhe sorgt.