OLG München, Beschluss v. 23.07.2019 und 20.09.2019 – 28 U 2914/17
Das OLG München hatte über den Honoraranspruch eines Architekten zu entscheiden, gegen den der Auftraggeber im Prozess mit Ansprüchen wegen Überwachungsfehlern im Hinblick auf mangelhafte Fenster und Türen die Aufrechnung erklärt hatte. Das OLG ging vorliegend jedoch nicht davon aus, dass die Honorarforderung des Architekten gemäß § 389 BGB durch die Aufrechnung erloschen war, sondern sah vielmehr die Aufrechnung im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als unbeachtlich an.
Zwar sei wegen der Mängel zwischen ausführendem Unternehmer und Objektüberwacher von einer gesamtschuldnerischen Haftung auszugehen, sodass der Bauherr grundsätzlich nach seiner Wahl jeden der beiden Gesamtschuldner in Anspruch nehmen kann; insofern sei es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nur ausnahmsweise geboten, den Bauherrn auf die vorrangige Inanspruchnahme eines anderen Gesamtschuldners zu verweisen. Einen solchen Ausnahmefall sah das OLG München jedoch in dem Fall für gegeben an. Denn der Bauherr sei vorliegend im Verhältnis zum Unternehmer durch den Sicherheitseinbehalt, welcher höher war als der zur Mangelbeseitigung erforderliche Betrag, ausreichend geschützt und daher im Verhältnis zum Objektüberwacher nicht mehr schützenswert. Durch den vorgenommenen Sicherheitseinbehalt könne der Bauherr jederzeit die Erfüllung seiner Mängelansprüche im Wege der Aufrechnung herbeiführen, was entsprechend § 422 BGB auch gegenüber dem Objektüberwacher zu berücksichtigen sei.
Allerdings betonte das OLG München, dass für die Frage, ob eine Aufrechnung des Bauherrn mit Mängelansprüchen gegenüber dem Objektüberwacher treuwidrig (§ 242 BGB) ist, stets eine Zusammenschau der vorliegenden Gesamtumstände maßgeblich ist. So führte das OLG München vorliegend zur Begründung seiner Entscheidung zusätzlich an, dass der Bauherr in einem Parallelverfahren auch den ausführenden Unternehmer bezüglich derselben Mängelansprüche in Anspruch nimmt, die Mängelansprüche dem Grunde und der Höhe nach überwiegend streitig sind, und die Fragen der Mängel an sich in dem anderen Verfahren zwischen Bauherrn und ausführendem Unternehmen zu klären sind.
Praxistipp
Wendet der Bauherr gegenüber einer Architekten- bzw. Ingenieurhonorarforderung Gegenansprüche wegen Überwachungsfehlern ein, kann es sich mithin für den Architekten/Ingenieur lohnen, zu prüfen, inwieweit der Bauherr durch Sicherheiten der ausführenden Firma für eben diese Mängel abgesichert ist und sich daher anderweitig befriedigen kann. Inwieweit die Zusammenschau der Gesamtumstände, auf die das OLG München abstellt, eine andere ist, wenn der Bauherr statt durch einen Einbehalt durch eine Bürgschaft für Mängelansprüche des ausführenden Unternehmers abgesichert ist, wird vom OLG München nicht ausgeführt. Die Hürden für die Realisierung seiner Mängelansprüche sind hier für den Bauherrn unzweifelhaft höher.
Auch an § 650 t BGB, welcher mit dem neuen Bauvertragsrecht zum 01.01.2018 in das BGB aufgenommen wurde, ist an dieser Stelle zu erinnern: Wird der Architekt/Ingenieur bei einer gesamtschuldnerischen Haftung mit einem ausführenden Unternehmer vom Bauherrn wegen Überwachungsfehlern in Anspruch genommen, kann er die Leistung verweigern, solange der Bauherr dem ausführenden Unternehmen noch nicht erfolglos eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt hat. Auch dies sollte bei Inanspruchnahme wegen Überwachungsfehlern stets geprüft werden!
Rechtsanwältin Alexandra Riemann
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
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