OLG Naumburg, Urteil vom 16.11.2010 – 9 U 196/09 – veröffentlicht in IBR 2011, 471
Entscheidung
Der Bauherr eines Einfamilienhauses verklagt den Architekten auf Schadensersatz. Der Architekt war zunächst mit der Einholung eines Bauvorbescheides beauftragt worden und sodann mit weiteren – dem Umfang nach streitigen – Planungsleistungen. Nach Bezug des Hauses traten sowohl im Außen- als auch im Innenbereich erhebliche Risse in den Wänden auf. Als Ursache wurde in einem vorausgehenden selbstständigen Beweisverfahren eine unzureichende Gründung des Gebäudes festgestellt. Die Kosten für die Stabilisierung des Gründungsbereiches beliefen sich inklusive Folgekosten auf rund 110.000,00 €. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben und dem Architekten eine mangelhafte Baubetreuung und Bauüberwachung vorgeworfen. Hiergegen wendet sich der Architekt, da er behauptet, weder mit Baubetreuung noch Bauüberwachung überhaupt beauftragt gewesen zu sein.
Ohne Erfolg. Denn ob der Architekt mit der Baubetreuung und Bauüberwachung beauftragt war, könne dahingestellt bleiben. Unstreitig war der Architekt mit der Einholung eines Bauvorbescheides beauftragt. Hiervon war – so das OLG Naumburg – die Untersuchung des Baugrundes bereits umfasst. Die Klärung der Frage, wie und in welcher Weise das fragliche Bauwerk gegründet werden kann, gehört grundsätzlich zu einer gewissenhaften und ordnungsgemäßen Grundlagenermittlung des Architekten in der Leistungsphase 1 (so auch bereits das OLG Hamm, Urteil vom 21.05.1997, Az. 12 U 150/96). Die Bodengrunduntersuchung war damit aus Sicht des OLG Naumburg bereits zur Einholung eines Bauvorbescheides erforderlich.
So gehört es zu den Hauptpflichten, d. h. den wesentlichen und zentralen Vertragspflichten des Architekten in der Leistungsphase 1 (Grundlagenermittlung), die Eignung des Baugrundes für das Bauvorhaben zu prüfen oder prüfen zu lassen und den Bauherrn entsprechend zu beraten. Der Beklagte musste daher im Rahmen seiner Vertragspflicht zum Klären der Aufgabenstellung jeglichen Bedenken gegen die Geeignetheit des Baugrundes für die vorgesehene Bebauung nachgehen. Solche Bedenken hätten sich dem Architekten aufdrängen müssen, da das Grundstück nahe einem See liegt und dem Architekten auch bekannt war, dass im Boden Sande vorhanden sind.
Somit hätte er ein Bodengrundgutachten einholen müssen. Indem er dies unterlassen hat, hat er eine Hauptleistungspflicht des Architektenvertrages verletzt, weshalb er im Rahmen seiner Mängelhaftung für den Schaden aufzukommen hat.
Praxishinweis
Der Architekt hat nach diesem Urteil mithin bereits bei der Einholung eines Bauvorbescheides die vollen Leistungen der Leistungsphase 1 zu erbringen und die Aufgabenstellung in jeglicher Hinsicht zu klären. Hierbei hat er – zumindest wenn sich ein Anlass hierfür ergibt – dem Bauherrn die Einholung eines Baugrundgutachtens anzuraten. Etwas anderes dürfte gelten, wenn der Antrag auf Bauvorbescheid zunächst auf einzelne Genehmigungstatbestände – z. B. die bauliche Art der Nutzung – beschränkt werden soll und statische Belange insoweit noch keine Rolle spielen. Um einer Haftung zu entgehen, sollte der Architekt hier jedoch auf klare Regelungen und Einschränkungen im Vertrag bestehen.
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