BGH, Urteil vom 18.12.2008 – VII ZR 201/06
Entscheidung
Die Angebotspreise der Bauunternehmen sind vielfach spekulativ. Um günstige Preise in einzelnen Positionen auszugleichen, werden höhere Preise für solche Positionen angeboten, in denen der Bauunternehmer damit rechnet, dass die in der Ausschreibung geschätzten Mengen sich tatsächlich erhöhen. Diese Vorgehensweise ist am Bau völlig üblich. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dieser Vorgehensweise jedoch – zumindest teilweise – einen Riegel vorgeschoben.
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte der Bauunternehmer seine Mehrvergütung nach § 2 Nr. 3 bzw. 5 VOB/B unter Heranziehung des von ihm im Leistungsverzeichnis eingesetzten Einheitspreises berechnet, welcher mehr als das 800fache über dem allgemein üblichen Durchschnittspreis lag.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Vereinbarung eines Preises gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn der Preis in einem auffälligen Missverhältnis zur Gegenleistung steht. Voraussetzung dafür ist zum einen ein objektiv auffälliges, wucherartiges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung und zum anderen das Hinzutreten subjektiver Umstände, wie z. B. das Zutagetreten einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten.
Dass in der Höhe des hier vereinbarten Einheitspreises ein wucherartiges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, bedurfte nach Ansicht des BGH keiner weiteren Erörterung.
Allerdings stellte er dabei ausdrücklich klar, dass die teilweise in der Literatur vertretene Ansicht, dass eine Einheitspreisvereinbarung nur dann sittenwidrig sei, wenn der Vertrag in seiner Gesamtheit nach § 138 BGB als sittenwidrig und damit als nichtig zu bewerten ist, unzutreffend ist. Vielmehr kann auch die Vereinbarung eines Einheitspreises oder des nach Mengenmehrung auf Grundlage zu vereinbarenden neuen Einheitspreises isoliert zur Nichtigkeit der Preisvereinbarung führen.
Darüber hinaus stellt der BGH fest, dass die Preisvereinbarung über die Mehrmengen, welche um mehr als das 800fache über den üblichen Preis hinaus gehen, die Vermutung zulässt, dass ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Bauunternehmers vorlag. Diese Vermutung wäre vom Bauunternehmer zu widerlegen. Hierzu genügt es nicht, dass der Bauunternehmer sich bei Mengenmehrungen oder Leistungsänderungen an niedrigen Preisen festhalten lassen muss. Unerheblich ist ebenso die Argumentation des Bauunternehmers, dass die überhöhten Einzelpositionen lediglich einen Teil des Gesamtauftrages darstellen und dieser trotz Mengenmehrung insgesamt nicht anstößig sei. Selbst der Umstand, dass die überhöhten Preise einzelner Positionen dazu dienen, den Verlust auszugleichen, den der Bauunternehmer dadurch erleidet, dass er in anderen Positionen Preise angeboten hat, die weit unter den üblichen Preisen liegen, führt nicht zur Widerlegung der Vermutung.
Nach Ansicht des BGH führt die Nichtigkeit der sittenwidrigen Preisvereinbarung nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Vereinbarung. Insbesondere ist der Bauunternehmer weiterhin zur Leistung verpflichtet. Anstelle des nichtigen Preises kann der Bauunternehmer lediglich die übliche Vergütung verlangen. Üblich ist danach der Einheitspreis, der zur Zeit des Vertragsschlusses für nach Art, Güte und Umfang gleiche Leistung nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt.
Praxishinweis
Der BGH trifft mit dieser Entscheidung zwei grundlegende Aussagen.
Zum einen können überhöhte Einheitspreise für Mehrmengen oder Leistungsänderungen isoliert zur Nichtigkeit der Preisvereinbarung führen, selbst wenn der Gesamtvertrag als solches nicht nach § 138 BGB als nichtig anzusehen ist. Zum anderen erhält der Auftragnehmer anstelle der überhöhten Preise für diese Einzelpositionen nur die übliche Vergütung.
Die Grenze, ab wann ein Einheitspreis als sittenwidrig und damit als nichtig einzustufen ist, hängt vom Einzelfall ab. Allerdings wird man davon ausgehen können, dass auch Einheitspreise, die weniger als um das 800fache den üblichen Durchschnittspreis übersteigen, durchaus zu einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung führen können. Der Bauunternehmer sollte daher im Rahmen seines Angebotes immer im Auge behalten, dass er auch für Einzelpositionen keine unverhältnismäßig überhöhten Preises anbietet.
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