KG Berlin, Urteil, 24.05.2022, 21 U 156/21

Das KG hatte einen Bauträgerfall zu entscheiden, in dem Käufer einer Eigentumswohnung entgangene Mieteinnahmen infolge eines Verzugs des Bauträgers mit der Übergabe von über 2 Jahren seit dem kaufvertraglich festgelegten Übergabezeitpunkt 30.06.2018 eingefordert hatte. Der Bauträger hat sich u. a. damit verteidigt, dass in dem Zeitraum zwischen März und Juli 2020 infolge der Corona-Pandemie Verzüge entstanden seien, weil Arbeiter aus diversen Ländern nicht nach Deutschland haben einreisen können und zahlreiche Baumaterialien nicht zeitgerecht geliefert wurden.

Die Entscheidung beschäftigt sich mit den Voraussetzungen für den Nachweis des fehlenden Verschuldens eines Sachleistungsschuldners an entstandenen Verspätungen, hier der Übergabe des Kaufobjekts Wohnung infolge von pandemiebedingten Einflüssen, die zu behaupteten allgemeinen

Störungen des Bauablaufs geführt hätten.

Das KG sah den Nachweis von bauzeitverlängernden Störungen durch den Bauträger nicht als erbracht an, obwohl es grundsätzlich davon ausging, dass pandemiebedingte Behinderungen ein Verschulden für Verspätungen des Bauträgers bei der Errichtung des Objekts ausschließen können.

So führte das KG aus, dass es an einem Verschulden fehle, soweit die Behinderung auf eine schwerwiegende und nicht vorhersehbare Änderung der wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Rahmenbedingungen zurückgeht und für den Bauträger oder auch Bauunternehmer unabwendbar gewesen sei. So sei es beispielsweise grundsätzlich möglich, dass ein Bauvorhaben im ersten Halbjahr 2020 (Beginn der Corona-Pandemie) ins Stocken geriet, weil aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie Arbeitskräfte nicht aus dem Ausland nach Deutschland einreisen konnten oder weil Baumaterialien nicht geliefert werden konnten. Dies müsse aber im Einzelnen vom Bauträger/Bauunternehmer konkret dargelegt werden, weil nach § 286 Abs. 4 BGB gesetzlich zunächst vermutet wird, dass ein Schuldner die Nichteinhaltung eines Termins für seine Leistung zumindest fahrlässig verschuldet hat.

Wie in vielen anderen Fällen bedeutet die konkrete Darlegungsverpflichtung auf Auftragnehmerseite, dass eine sog. bauablaufbezogene Darstellung notwendig gewesen wäre, die dem Gericht aufzeigt, dass sich der schwerwiegende und unvorhersehbare Umstand tatsächlich und im Übrigen in welchem Umfang auf den Ablauf des Bauvorhabens ausgewirkt hat.

Zur Erinnerung was alles im Rahmen einer solchen bauablaufbezogenen Darstellung vorzutragen ist, führt das KG aus:

  • der Auftragnehmer habe vorzutragen, bei welchem seiner Arbeitsabläufe er durch einen solchen Umstand gestört wurde;
  • wie lange die Störung angedauert hat;
  • wie dies konkret die Fertigstellung der Arbeiten beeinflusst hat;
  • ob andere Abläufe, die nicht von der Störung betroffen sind, vorgezogen werden hätten können und ob der gestörte Ablauf nachgeholt werden konnte, ohne dass sich der Gesamtfertigstellungstermin verlängern musste.

Der pauschale Vortrag des Bauträgers zu angeblichen Auswirkungen der Pandemie reichten dem KG daher nicht aus, insbesondere weil unklar blieb, ob es überhaupt Auswirkungen auf die Baustelle gegeben habe. Der Bauträger hatte trotz Aufforderung des Gerichts dazu gar nichts vorgetragen.

Im Weiteren hat das KG außerdem noch darauf hingewiesen, dass coronabedingte Auswirkungen noch kausal zu einer Teilentlastung des Bauträger hätten führen können, obwohl die möglichen Behinderungen aus der Corona-Pandemie erst ab März 2020 und damit lange nach dem Verzugseintritt im Juli 2018 eingetreten waren. Das KG erteilt damit indirekt solchen Kausalitätstheorien in der juristischen Literatur eine Absage, die den ersten verzugsbegründenden Umstand für das Verschulden insgesamt als ausschlaggebend, d. h. kausal ansehen. Das KG betrachtet den gesamten Verzugszeitraum und die jeweiligen Verzugsursachen und bewertet dann die Verschuldensanteile.

 

Praxistipp

Sofern Bauunternehmer, Bauträger oder andere am Projekt Beteiligte coronabedingte Verlängerungsansprüche geltend machen, steht fest, dass diese grundsätzlich berechtigt sein können, wenn im Einzelnen von ihnen der Nachweis erbracht wird, dass die Umstände a) nicht vorhersehbar waren, b) nicht abwendbar waren und c) sich tatsächlich auf ihre Leistungen entsprechend verlängernd ausgewirkt haben. Fest steht auch, dass alle betroffenen Unternehmer Verzugsschadensersatzansprüche des Auftraggebers abwehren können, wenn ihnen der Nachweis gelingt, da sie conronabedingte Störungen vorhanden und sich ausgewirkt haben. Leider gilt aber auch für die coronabedingten Verspätungen zunächst die Vermutung nach § 286 Abs. 4 BGB, dass zumindest Fahrlässigkeit auf Auftragnehmerseite für solche Verzüge gegeben ist, bis sich der jeweilige Auftragnehmer durch eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung entlasten kann.

Rechtsanwältin Ursula von Minckwitz