BGH, Urteil vom 13.04.2011 – VIII ZR 223/10 – veröffentlicht in IMR 2011, 218
Entscheidung
Der Mieter hat die monatliche Gesamtmiete (Nettomiete zzgl. Betriebskostenvorauszahlung) um einen pauschalen Betrag gemindert. Im Rahmen der Betriebskostenabrechnung hat der Vermieter die tatsächlich von dem Mieter vermindert gezahlten Betriebskostenvorauszahlungen von den Gesamtkosten in Abzug gebracht. Diese gekürzten Betriebskostenvorauszahlungen stellte der Vermieter den ungekürzten Gesamtkosten gegenüber und berechnete auf diese Weise den Saldo aus der Abrechnung und nahm den Mieter auf Ausgleich der Nebenkostenabrechnung in Anspruch.
Der BGH erklärt die Vorgehensweise des Vermieters für fehlerhaft. Der Vermieter habe verkannt, dass im Falle der berechtigten Minderung der Bruttomiete und im Falle des Abzugs der tatsächlich gezahlten und mietvertraglich geschuldeten Sollvorauszahlungen von den Gesamtkosten der auf den Mieter entfallende Teil der Gesamtkosten ebenfalls im gleichen Verhältnis der Minderung zu kürzen ist. Weiterhin führt der BGH aus, dass es im Rahmen der Verrechnung der eingehenden Zahlung nicht erforderlich ist, diese anteilig auf die Nettomiete und anteilig auf die Betriebskostenvorauszahlung zu buchen. Gesichtspunkte der Praktikabilität und der Übersichtlichkeit können es erfordern, die Minderung allein auf die Nettomiete zu verbuchen, so dass dann ohne Berücksichtigung der Minderung über die Betriebskostenvorauszahlungen abgerechnet werden kann.
Praxishinweis
Der BGH fordert zur Praktikabilität auf und kommt dadurch der Praxis entgegen. Das Problem der mit der Abrechnung der Betriebskostenvorauszahlungen beauftragten Unternehmen, ob die Sollvorauszahlungen oder die tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen von den Gesamtkosten in Abzug zu bringen sind, erklärt der BGH nunmehr scheinbar für erledigt. Die Entscheidung des BGH löst das Problem jedoch nicht wirklich und lässt wesentliche weitere Aspekte außer Acht.
Zum einen erklärte der BGH noch mit seiner Entscheidung vom 23.9.2009 eine Nebenkostenabrechnung für inhaltlich falsch, wenn entgegen dem tatsächlichen Zahlungsverhalten des Mieters der Vermieter in die Nebenkostenabrechnung die Sollvorauszahlungen von den Gesamtkosten in Abzug bringt (BGH, VIII ZA 2/08). Zum anderen erklärt der BGH – dogmatisch höchst fraglich –, dass die Berechtigung zur Minderung der Bruttomiete nicht im Widerspruch dazu steht, über die Sollvorauszahlungen (ungekürzte Vorauszahlungen) abzurechnen. Warum soll jedoch der Mieter zur Minderung der Bruttomiete berechtigt sein, wenn sich diese Bruttomietminderung nicht auswirkt? Schließlich lässt der BGH die Frage unbeantwortet, ob auch dann über die Sollvorauszahlungen – entgegen dem tatsächlichen Zahlungsverhalten des Mieters – abgerechnet werden kann, wenn dieser einerseits bei der Zahlung der Miete eine Tilgungsbestimmung angibt oder andererseits die Berechtigung zur Minderung zwischen den Parteien im Streit steht. Letztere Fallvarianten sind in der Praxis jedoch die Überwiegenden. Die Entscheidung des BGH erfreut einerseits, weil sie wirtschaftlich den richtigen Ansatz hat, andererseits ist sie jedoch unbefriedigend, weil hiermit die Problematik nicht abschließend geklärt wird.
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