BGH, Urteil vom 15.12.2009 – XI ZR 107/08 – veröffentlicht in IBR 2010, 81
Entscheidung
Eine Elektrofirma hatte den Auftrag zur Ausführung von Starkstrominstallationen an einem Bauvorhaben erhalten. Es war die Geltung der VOB/B vereinbart. Die Elektrofirma hatte zur Sicherung ihrer Vergütungsansprüche zwei Bürgschaften nach § 648a BGB erhalten.
Im Zuge der Arbeitsausführung erhielt die Elek-trofirma mehrere Nachtragsaufträge. Nachdem der Auftraggeber insolvent geworden war, nahm die Firma zum Ausgleich ihrer Vergütungsansprüche aus dem Hauptauftrag und den Nachträgen die Bürgschaften in Anspruch. Die Bürgin erklärte sich bereit, die Vergütungsansprüche aus dem Hauptauftrag auszugleichen, verweigerte aber den Ausgleich der Vergütungsansprüche aus den Nachtragsaufträgen.
Der BGH hat in letzter Instanz der Bürgin Recht gegeben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die von einem Bürgen übernommene Zahlungsverpflichtung sich grundsätzlich nur auf Forderungen erstrecke, die im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme bereits existent seien. Der BGH hat auf die gesetzliche Regelung in § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB verwiesen, wonach durch ein Rechtsgeschäft zwischen dem Gläubiger und dem Hauptschuldner nach Übernahme der Bürgschaft die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert werden kann. Wenn durch eine Erweiterung des Bauvertrages (z. B. durch Änderungs- und Zusatzaufträge) nach der Bürgschaftsübernahme weitere Forderungen des Gläubigers gegen den Hauptschuldner entstehen, dann hafte der Bürge hierfür nur dann, wenn er der Erweiterung zugestimmt und seine Bürgschaft entsprechend ausgedehnt habe. Dies gilt nach Ansicht des BGH auch für Höchstbetragsbürgschaften. Es sei zwar möglich und AGB-rechtlich zulässig, dass ein (geschäftsmäßig und entgeltlich handelnder) Bürge sich nicht nur für konkrete gegenwärtige, sondern auch für unbestimmte zukünftige Forderungen verbürgt. Eine Verbürgung für unbestimmte zukünftige Forderungen müsse jedoch eindeutig aus der Bürgschaftserklärung hervorgehen.
Diese Voraussetzung sei auch dann nicht erfüllt, wenn der Bürge sich für Forderungen aus einem Bauvertrag in Kenntnis der Geltung der VOB/B verbürge.
Das Recht des Auftraggebers, einseitige Änderungs- und Zusatzanordnungen nach § 1 Nr. 3 und Nr. 4 Satz 1 VOB/B zu erteilen, und die Möglichkeit der Bauvertragsparteien, Zusatzleistungen nach § 1 Nr. 4 Satz 2 VOB/B zu vereinbaren, führe nicht dazu, dass der Bürge sich (stillschweigend) bereits im Vorhinein mit Änderungs- und Zusatzaufträgen nach § 1 Nr. 3, 4 VOB/B einverstanden erkläre und sich hierfür verbürge.
Praxishinweis
Mit der vorstehenden Entscheidung hat der BGH die bisher streitige Frage der Sicherung von Werklohnansprüchen aus Nachtragsaufträgen beim VOB/B-Bauvertrag geklärt. Die Ausführungen in der Urteilsbegründung beziehen sich zwar – entsprechend dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt – auf eine Bürgschaft für Vergütungsansprüche nach § 648a BGB. Sie dürften aber aufgrund ihrer Allgemeingültigkeit grundsätzlich auf alle Bürgschaften anwendbar sein.
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