BGH, Urteil vom 23.07.2009 – VII ZR 134/08 – veröffentlicht in IBR 2009, 589
Entscheidung
Der Architekt war mit den Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 6 gem. § 15 Abs. 2 HOAI für den Bau eines Wohnhauses beauftragt. Obwohl das Haus nahe der Elbe stand, sah die Planung des Architekten keine Abdichtung gegen drückendes Grundwasser vor. Wenige Monate nach Fertigstellung des Baus und Abnahme der Bauleistungen trat zum ersten Mal Wasser in den Keller ein. Die klagenden Bauherren wandten sich an die ausführende Firma, welche selbst nichts unternahm, jedoch den Architekten davon informierte, dass aus ihrer Sicht kein Ausführungsfehler vorläge. Der Architekt reagierte hierauf nicht, sondern blieb untätig. Nachdem es acht Jahre später zu einem erneuten Wasserschaden kam, beauftragten die Bauherren einen Sachverständigen. Dieser stellte fest, dass Schadensursache die fehlende Abdichtung gegen Grundwasser war. Daraufhin verklagten die Bauherren den Architekten auf Schadensersatz. Der beklagte Architekt berief sich auf die Einrede der Verjährung.
Landgericht und Berufungsgericht gaben den Bauherren Recht und wiesen die Verjährungseinrede des Architekten zurück. Den Architekten treffe eine Sekundärhaftung, die zum Ausschluss der Verjährungseinrede führe.
Dies sieht der BGH anders.
Zwar stimmt der BGH dem Landgericht und Oberlandesgericht gemäß seiner ständigen Rechtsprechung zu, dass dem umfassend beauftragten Architekten im Rahmen seiner Betreuungsaufgabe nicht nur die Wahrung der Auftraggeberrechten gegenüber den ausführenden Unternehmen, sondern auch die objektive Klärung der Mängelursachen obliegt, was selbst dann gilt, wenn zu diesen eigene Planungs- oder Überwachungsfehler gehören. Eine Vertragsverletzung durch pflichtwidrige Unterlassung jeglicher Untersuchung und Beratung des Bauherrn, mit welcher der Architekt möglicherweise die Verjährung der gegen ihn selbst bestehenden Ansprüche des Bauherrn herbeiführt, begründet daher grundsätzlich einen weiteren Schadensersatzanspruch des Bauherrn dahingehend, dass die Verjährung der gegen ihn gerichteten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche als nicht eingetreten gilt (= so genannte Sekundärhaftung des Architekten).
Vorliegend war der Architekt aber nicht umfassend beauftragt, sondern lediglich mit den Leistungsphasen 1 bis 6.
Ob den Architekten aber eine Sekundärhaftung treffen könne, bestimmt sich nach Auffassung des BGH nach dem von ihm übernommenen Aufgabenkreis. Eine Pflicht zur Aufklärung über eigene Fehler muss sich aus den vom Architekten übernommenen Betreuungsaufgaben ergeben.
Diese bestehen unzweifelhaft bei Übernahme der Objektüberwachung und Objektbetreuung (LP 8 und 9). Denn hier ist der Architekt Sachwalter des Bauherrn und als solcher verpflichtet, für die Mängelfreiheit des Bauwerks zu sorgen und den Bauherrn auch nach Fertigstellung des Baus bei der Untersuchung und Behebung etwaiger Mängel zur Seite zustehen.
Ist der Architekt jedoch – wie hier – lediglich mit den Leistungsphasen 1 bis 6 beauftragt, kommt ihm nach dem Urteil des BGH keine derartig zentrale Stellung bei der Durchführung des gesamten Bauwerks zu, die es rechtfertigt, die Grundsätze der Sekundärhaftung anzuwenden.
Praxishinweis
Mit dem Urteil stellt der BGH klar, dass nicht jeder Architekt automatisch als Sachwalter des Bauherrn anzusehen ist. Vielmehr ist anhand der übernommenen Leistungen im Einzelfall zu eruieren, inwieweit den Architekten weitergehende Beratungs- und Betreuungspflichten gegenüber dem Bauherrn treffen. Dies ist bei umfassender Beauftragung inklusive Objektüberwachung und Objektdokumentation unzweifelhaft der Fall. Im Einzelfall allerdings – auch dies stellt der BGH klar – kann auch bereits die Übernahme der „technischen Oberleitung“ eine Sachwalterstellung gegenüber dem Bauherrn und damit auch eine Sekundärhaftung begründen.
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