Bayerischer VGH, Beschluss vom 21.01.2009 – 9 CS 08.1330 – veröffentlicht in ZMR 2009, 722

Entscheidung
Die Antragsteller wenden sich im Eilverfahren gegen eine ihrer Nachbarin erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer Autoteileverkaufs- und Montagehalle sowie einer SB-Waschanlage mit Büro und Wohnung. Zwar hatte die Nachbarin im Vorfeld eine Zustimmung der Antragsteller, die eine Wohnungseigentümergemeinschaft bilden, eingeholt. Diese bezog sich ausweislich der Nachbarschaftsvereinbarung auf einen der Vereinbarung beigefügten Plan, den die Nachbarin im Rahmen einer Bauvoranfrage eingereicht hatte. Nach der Planskizze sollte das Gebäude eine Gesamtlänge von 82 m aufweisen, auf zwei Dritteln eine Höhe von maximal 6,35 m. Die Wandhöhe direkt an der Grundstücksgrenze sollte danach 3,10 m bzw. 4,0 m betragen. In der Nachbarschaftsvereinbarung verpflichtete sich die Nachbarin zudem wörtlich dazu, dass das Gebäude an keiner Stelle eine Gesamthöhe von über 9,15 m aufweisen sollte und an der unmittelbaren Grundstücksgrenze zu den Antragstellern eine Wandhöhe von 3,0 m nicht übersteigen sollte. Weiter hieß es dort, dass die Zustimmung auch einen späteren Bauplan im Baugenehmigungsverfahren umfasse, sofern dieser in den maßgeblichen Inhalten dem der Vereinbarung zugrunde liegenden Plan entsprach. Der genehmigte Plan wich dann von dieser Zustimmung insofern ab, als das Gebäude über die gesamte Länge eine Höhe von 9,15 m aufwies. 

Während das Verwaltungsgericht den hiergegen gerichteten Antrag noch wegen einer mangelnden Klagebefugnis als unzulässig und wegen einer dem Vorhaben zugrunde liegenden Zustimmung als unbegründet abgewiesen hatte, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dem Antrag stattgegeben. Das Gericht hat ausgeführt, dass das Wohnungseigentum nach § 1 Abs. 2 WEG unter dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz steht und Rechte vermittele, deren Verletzung durch einen Verwaltungsakt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zur Klage befuge. Die Antragsteller hätten vorliegend ausdrücklich eine Verletzung ihres jeweiligen Sondereigentums geltend gemacht. Die Abstandsflächen entfalteten insoweit auch eine Schutzwirkung zugunsten der im Sondereigentum stehenden Wohnungen und deren Nutzung. Die ursprünglich erteilte Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft wertete der Verwaltungsgerichtshof nicht als eine die Anfechtung ausschließende Vereinbarung.

Zu Recht!

Die bauaufsichtlich genehmigten Baupläne wichen wesentlich von dem ursprünglichen und durch die Antragsteller in der Vereinbarung genehmigten Vorhaben ab. Die Antragsteller waren daher nicht mehr an die Genehmigungsvereinbarung gebunden. Während ursprünglich für das Gebäude eine Höhe von maximal 6,35 m über etwa zwei Drittel der Gesamtlänge des Gebäudes und im restlichen Drittel eine Gesamthöhe von 9,15 m vorgesehen war, wurde demgegenüber eine durchgehende Gesamthöhe von 9,15 m genehmigt. Die Veränderungen wertete der VGH als maßgeblich. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich die Nachbarin dazu verpflichtet hatte, das Gebäude solle an keiner Stelle höher als 9,15 m sein. Zum einen diente dies nach Auffassung des VGH der Klarstellung, da in den Planzeichnungen gestrichelt auch noch Gebäudeteile höher als 9,15 m eingezeichnet gewesen seien. Zum anderen stelle die durchgehende wesentlich höhere Gesamtgebäudehöhe auch eine wesentliche Abweichung von der ursprünglich zugestimmten Planung dar. Die Vereinbarung konnte nach der Wertung des Gerichts nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt nur so gemeint sein, dass das Vorhaben die zeichnerisch dargestellten Dimensionen einhalten musste, die höchsten Bauteile nicht über 9,15 m hinausragen durften und die Grenzwand zum Grundstück der Antragsteller auf 3 m Höhe beschränkt war. Das mit der angegriffenen Baugenehmigung genehmigte Vorhaben sei damit nicht zu vereinbaren.

Da mit dem Vorhaben insgesamt gegen die Abstandsflächenvorschriften aus der Bayerischen Bauordnung verstoßen wurde und eine Ausnahmegenehmigung auch nicht durch die nachbarliche Zustimmung gedeckt war, gab der VGH dem Antrag somit im Ergebnis vollumfänglich statt.

Praxishinweis
Die Entscheidung verdeutlicht, dass im Rahmen des Abschlusses einer Nachbarschaftszustimmung zu einem Bauvorhaben zum Schutze der zustimmenden Nachbarn die jeweiligen Ausmaße des Vorhabens exakt bezeichnet werden sollten bzw. genau auf die in Bezug genommenen Anlagen geachtet werden muss. Nur anhand der exakten Bezeichnung der von der Zustimmung umfassten Ausmaße des Vorhabens kann später im Streitfalle entschieden werden, ob Abweichungen noch von der Zustimmung umfasst sind.