OLG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2017 – 10 U 81/16

BGH, Beschluss vom 04.09.2019 – VII ZR 26/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

 

In dem Urteil beschäftigt sich der Senat mit der Höhe einer durch AGB vereinbarten Vertragserfüllungsbürgschaft.

Der vorsteuerabzugsberechtigte Auftraggeber beauftragte den Auftragnehmer, einen Schreinereibetrieb, mit der Einrichtung eines Ladens. Vertragsgrundlage des Auftrags war ein von den Parteien angefertigtes Verhandlungsprotokoll. Das Vertragsprotokoll enthielt eine Sicherungsklausel, die regelte, dass der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungssicherheit i.H.v. 10% der Brutto-Auftragssumme ohne die vertraglich vereinbarten Abzüge der Umlagen für Strom/Wasser, Bauwesenversicherung und Baureinigung zu stellen hat. Der Auftragnehmer klagte auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft. Seines Erachtens führe die Sicherungsklausel zu einer Übersicherung, was die Klausel nach § 307 BGB unwirksam werden lässt. Der Auftragnehmer ist der Ansicht, dass der Auftraggeber effektiv eine Sicherung in Höhe von 11,9 % erhalte, da er vorsteuerabzugsberechtigt ist. Überdies sieht der Auftragnehmer eine weitere Übersicherung in Höhe von 0,15 % darin, dass die Abzüge der Umlagen für Strom/Wasser etc. von der Brutto-Auftragssumme nicht berücksichtigt würden.

 

Das Urteil

Der BGH bestätigt das Urteil des OLG Stuttgart, wonach eine vom Auftraggeber vorformulierte Klausel, aufgrund der der Auftragnehmer eine unbefristete Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 10 % der Brutto-Auftragssumme zu stellen hat, wirksam ist. Das gelte auch dann, wenn der Auftraggeber vorsteuerabzugsberechtigt ist.

Der Senat sieht in der ihm vorgelegten Sicherungsklausel keine Übersicherung und weist die Klage des Auftragnehmers zurück. Es sei üblich, auf die Brutto-Auftragssumme Bezug zu nehmen und dies sei auch dann nicht zu beanstanden, wenn der Auftraggeber vorsteuerabzugsberechtigt ist. Eine Bezugnahme auf die Abrechnungssumme sei etwa untauglich, da diese bei Vertragsbeginn nicht feststeht. Die Brutto-Auftragssumme sei als Bezugsgröße stets akzeptiert worden und Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Vorsteuerabzugsberechtigung auf eine Netto-Auftragssumme abgestellt werden müsse, seien nicht erkennbar und nach Sinn und Zweck der Regelung nicht erforderlich. Auch die gesetzliche Regelung des § 632a Abs. 3 BGB gibt als Bezugsgröße für die Höhe der Sicherheit den Vergütungsanspruch an, der die Umsatzsteuer als unselbstständigen Teil der Vergütung umfasst.

Weiterhin entscheidet der Senat, dass es sich auf die Sicherungshöhe nicht auswirke, wenn die Abzüge der Umlagen für Strom/Wasser etc. bei der Berechnung der 10 % von der Brutto-Auftragssumme nicht berücksichtigt werden, da die Umlagen zu verrechnende Gegenansprüche des Auftraggebers darstellen, die den Brutto-Auftragswert nicht reduzieren.

Besonders interessant macht das Urteil die zweite Argumentationslinie des Senats bezüglich der Nichtberücksichtigung der Abzüge für Strom/Wasser etc. Der Senat führt aus, dass sich aus einer so geringfügigen Erhöhung des Sicherungsniveaus keine Unwirksamkeit der Regelung als AGB nach § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB ergäbe, da Vertragserfüllungsbürgschaften den Fall eines insolventen Auftragnehmers absichern sollen und sich der aus dieser Situation ergebende finanzielle Mehraufwand die 10 % der Auftragssumme übersteige. Damit weicht der Senat von der ständigen Rechtsprechung des BGH ab, dass eine in AGB vereinbarte Vertragserfüllungssicherheit in Höhe von 10 % der Brutto-Auftragssumme eine feste Obergrenze bilde.

 

Praxistipp

Diese Ausführungen des OLG Stuttgart sind ein sog. obiter dictum, d. h. eine in einem Urteil geäußerte Rechtsauffassung des Gerichts, auf die es in dem konkreten Fall jedoch nicht ankommt. Das Gericht nutzt hingegen die Gelegenheit seine Rechtsansicht zu äußern, da ihm aufgrund der zu dieser Frage gefestigten Rechtsprechung nur noch selten die Gelegenheit geboten wird.

In der Praxis ist auf die Ansicht des OLG Stuttgart, dass geringfügige Überschreitungen der 10-%-Hürde keine Unwirksamkeit der Klausel herbeiführen, nicht zu vertrauen. Der BGH hat sich mit dem Argument des Mehraufwands bei Insolvenz des Auftragnehmers bereits auseinandergesetzt und hält trotzdem unbedingt an seiner Rechtsprechung zur 10 % Grenze fest.

Rechtsanwalt Philipp Schlemmer