OLG Oldenburg, Beschluss vom 02.08.2010 – 2 U 68/10 – veröffentlicht in IBR 2011, 221
Entscheidung
An einem Bauvorhaben zeigen sich innerhalb der Gewährleistungsfristen in bestimmten Bereichen massive Risse in den Wänden. Der Bauherr lässt diese im Wege der Ersatzvornahme beseitigen und nimmt anschließend die Architekten, die u. a. mit der Objektüberwachung beauftragt waren, wegen der Kosten der Ersatzvornahme in Anspruch. Die Architekten meinen, der Bauherr hätte im Rahmen seiner Verpflichtung zur Schadensminderung zunächst die Gewährleistungsbürgschaft des ausführenden Unternehmens in Anspruch nehmen müssen.
Das LG und das OLG Oldenburg sind nicht dieser Meinung und sprechen dem Bauherrn die geltend gemachten Ansprüche zu.
Soweit es um den finanziellen Ausgleich eines Anspruchs geht, kann im Regelfall der eine Gesamtschuldner (hier die Architekten) nicht von dem Bauherrn verlangen, dass dieser sich zunächst bei dem anderen (hier dem Unternehmer bzw. dessen Bürgen) befriedigen muss; das widerspräche der Natur der Gesamtschuld, wonach der Bauherr gerade frei zwischen den Gesamtschuldnern wählen darf. Nur in Ausnahmefällen kann das anders aussehen, nämlich dann wenn der Zugriff des Bauherrn auf den einen Gesamtschuldner so einfach oder vorteilhaft (insbesondere billiger) ist, dass sich die Inanspruchnahme des anderen als rechtsmissbräuchlich darstellt. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor. Insbesondere sichert die Gewährleistungsbürgschaft ausschließlich die Ansprüche des Bauherrn gegenüber dem ausführenden Unternehmen; sie dient damit allein den Interessen des Bauherrn und nicht etwa dem Schutz des Architekten (so auch schon OLG Karlsruhe, 17 U 270/93 und OLG Hamburg, 11 U 88/06).
Praxishinweis
Die Inanspruchnahme des Architekten ist für den Bauherrn insbesondere dann das probate Mittel, wenn der Unternehmer finanziell wackelig oder gar insolvent ist, da hinter dem Architekten dessen Berufshaftpflichtversicherung steht. Auch in Fällen, in welchen bei Beteiligung mehrerer Bauunternehmen die Verursachungsbeiträge nicht klar sind, bietet sich die Inanspruchnahme des Objektüberwachers an. Dabei kann vom Bauherrn auf keinen Fall verlangt werden, sich zunächst unter nennenswerten Schwierigkeiten an den Bauunternehmer oder dessen Bürgen zu wenden, um so den Architekten zu schonen. Diesen Schwierigkeiten muss sich der Architekt (bzw. dessen Haftpflichtversicherer) anschließend ggf. selbst aussetzen, wenn er seinen eventuellen Regressanspruch gegen den Bauunternehmer durchsetzen will.
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